"Phantasievolle, unabhangige Fuhrer aber entdeckten auch aufierhalb genormter Richtlinien und verplanter Dienste noch freie Formen jungen-haften Lagerlebens.
... Die Hitler-Jugend war nie so starr und uniform, wie mancher Eiferer in der Reichsjugendfuhrung sie gern gewollt hatte. Buben aus Munchen und Heidelberg sind anders als die Jungen in Magdeburg und Husum. Im Charakter der deutschen Stamme und Landschaften wandelt sich auch das Bild der deutschen Jugend, die dort lebt. Grofistadtjugend liefi sich anders und leichter organisieren als die Landjugend. Und immer hing alles vom Fuhrer, von der Fuhrer in ab."
Der ehemalige Stabsfuhrer der HJ, Hartmann Lauterbacher, umriB vor dem 3. Nordsee-Fuhrerlager 1939 die Organisationslage wie folgt:
"Der Fuhrer hat mit dem Gesetz vom 1. Dezember 1936 die HJ zur Organisation der deutschen Jugend gemacht, hat ihr den Auftrag gegeben, die gesamte deutsche Jugend zu erfassen, sie korperlich, geistig und sittlich zu ertuchtigen. Aber aus diesem Gesetz hat die HJ niemals eine Pflicht abgeleitet im Sinne eines Befehls; denn die Gemeinschaft der HJ ist angetreten aus dem inneren freiwilligen Drang zu dieser Gemeinschaft.
Viele Staaten in der Welt beneiden das deutsche Volk ob dieses Prinzips der Freiwilligkeit, ja, sie zweifeln aus ihrem Nichtverstehen heraus fast an der Moglichkeit, dafi eine so grofie Organisation von 7 1/2 Millionen Jungen und Madeln getragen sein konne von diesem Grundsatz der Frei-
Willigkeit. Wir konnen ihnen darauf nur antworten: der Grund dafur ist die grenzenlose Liebe, die die deutschen Jungen und Madel zu ihrem Volk besitzen. Es ist der Befehl des Herzens, der diese Jungen und Madel in diese stolze Gemeinschaft stellt. Niemals wird die HJ von diesem Prinzip der inneren Freiwilligkeit in der Mitarbeit und Fuhrung ihrer Arbeit abkommen." 13a) S.64
Das hier angefuhrte Gesetz hat nicht Freiwilligkeit durch Zwang ersetzt, sondern der Hitler-Jugend lediglich einen staatlichen Etat mit einer obersten Reichsbehorde zur Bewaltigung der behordlichen Aufgaben des Reichsjugendfuhrers verschafft, wahrend im ubrigen die NSDAP weiterhin fur finanzielle Belange der HJ zustandig blieb, sofern sie nicht aus eigener Kraft bewaltigt wurden. Erst der Krieg schuf z. T. Anderungen. Beachtlich in diesem Zusammenhang ist, dab weder vor noch nach jenem Gesetz von 1936 der HJ irgendeine Aufgabenstellung zugewiesen worden war, die mit Kriegsvorberei-tung, Aufrustung, Wehrausbildung zu tun hatte, und dab anderer-seits in den Planungen der obersten Wehrmachtfuhrung die HJ keinerlei Erwahnung fand. Wehrertuchtigungslager fur 16-18jahrige wurden erstmals 1942 als Kriegsfolge eingefuhrt, haben aber zu keiner Zeit einer Rekrutenausbildung der Wehrmacht entsprochen.
Organisationsformen der HJ waren wirkungslos geblieben, hatte sich die HJ nicht von vornherein als Volksjugend begriffen, ware ihr Anliegen nicht ein volkisches gewesen. Baldur v. Schirach erklarte hierzu:
"Die Jugend ist aus freiwilligem Entschlufi, aus Begeisterung und echtem sozialistischen Gefuhl zur HJ gestofien.....
Arbeiterjungen und Schuler, Bauernmadel und Offizierstochter, sie alle kamen zu dem grofien Jugendbund...., um eine Gemeinschaft zu gestalten, die keine Klassen kennt. Die Fahigen steigen in dieser Gemeinschaft auf, ob sie nun Sohne oder Tochter wohlhabender oder arbeitsloser Volks-genossen waren, denn kein anderes Gesetz hat fur die Fuhrerauswahl der Hitler-Jugend Gultigkeit als allein das der Leistung, des selbstlosen Ein-satzes und des aufrechten Charakters.... Die Hitler-Jugend ist eine einzige grofie Familie, und es kann fur den einen nicht soviel Ungluck geben, dafi nicht die Kraft der Millionen anderer Kameraden dieses Ungluck uber-winden konnte....
Im Vordergrund der gesamten inneren Arbeit der Hitler-Jugend steht die Tatigkeit unseres Sozialen Amtes... Es ist wesentlich zu bemerken, dafi die Hitler-Jugend zu uber 70 v. H. aus handarbeitender Jugend besteht. Sie umfafit den gesamten Nachwuchs der deutschen Arbeiterschaft.... und wir haben es verstanden, diesen Nachwuchs bereits zu einer Zeit zu gewinnen,
Fuhrer - und Fuhrerinnenschule
BDM-Heimabend
Stimmung prima
Ein Pimpfenfuhrer erzahlt
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Pimpfe unter sich
So Oder so?
Als in Deutschland marxistische Organisationen in ihrer hochsten Elute standen... Jeder von uns... fuhlt sich glucklich in dem Eewufitsein, das Vertrauen gerade dieser armsten Sohne unseres Volkes zu besitzen...." 16)
Eine gewisse Parallelitat zwischen der Jugendpolitik nach 1918 und nach 1945 ergibt sich daraus, daB die Politiker des jeweiligen Nachkriegsdeutschland der Jugend keine glaubwurdigen Leitbilder gaben, keinen Einsatz fur das Recht ihres Volkes vorlebten und somit die Jugend an der Bewaltigung dieser Aufgaben nicht anteil-nehmen lieBen. Ihr Parteiengezank, das in Unglaubwurdigkeit, Wirt-schaftsnot (dies jedenfalls nach 1918), politische Hilflosigkeit und in einer gleichermaBen zerstrittenen bzw. politisch untatigen und rat-losen Jugend ausmundete, bot der Jugend nur noch den Grundsatz eines rucksichtslosen Egoismus des einzelnen. Dem hier brachliegen-den Potential gab Hitler Sammlungsziele, Ideen, Aufgaben, Ver-trauen, Disziplin. An der Gestaltung und Erhaltung des Vaterlandes schon in jungen Jahren mitzuwirken, — diese Aufgabe loste bereits in der Jugend der Weimarer Zeit Impulse aus, die fur die HJ grundlegend wurden, die die Kameradschaft der Jungen und Madchen und ihre Organisationen begrundeten.
Stets war dieser Jugend bewuBt, daB die Wiederaufrichtung des wundgeschlagenen Vaterlandes in gepflegter Freundschaft mit der Jugend anderer Volker erreicht werden sollte, allerdings in kampfe-rischer Abwehr der Feinde des Volkes, besonders des imperialisti-schen Bolschewismus.
Der Ausbruch des Krieges 193 9 war die herbste Enttauschung fur die deutsche Jugend. Sie hat sich im bitteren Einsatz fur Volk und Vaterland geopfert, wobei sie in Adolf Hitler ihren mitkampfenden Fuhrer sah.
HJ und BDM, die sich bereits fruhzeitig in die politische Aus-einandersetzung stellten, die mithalfen, Gegensatze zu uberwinden und in sozialer Tatgemeinschaft immer mehr und freudige Mitglieder gewannen, erhielten freilich auch von der Partei finanzielle Unter-stutzung, Rat und Kraft, so daB sich die NSDAP und HJ wechsel-seitig erganzten und somit die Grundlagen einer breiten Volks-gemeinschaft schufen. Nach der Machtergreifung 1933 ergaben sich naturgemaB sehr viel mehr Moglichkeiten der gegenseitigen Unter-stutzung, zumal nunmehr die gesamten staatlichen Aufgabenbereiche einer koordinierten Jugendpolitik nutzbar gemacht werden konnten.