"Von der Nordseekaste ins Salzburger Land
Den Auftakt zu diesem Besuch bildete die Teilnahme an der gemein-samen Tagung der Lagerleiter und Lagermannschaftsfuhrer, die der Aus-sprache uber die vielen Fragen und Probleme der Kinderlandverschickung diente.
Im Gasthaus "Zur Post" in Kuchel wurde das erste Jugendlager besucht. 21 Pimpfe haben sich in den vier Wochen, die sie erst unten waren, schon fein eingelebt; und aus ihren frischen Antworten und aus ihrer Lebendigkeit sah man, wie gut es ihnen im Salzburger Land gefallt.
Abtenau galt der nachste Besuch. Zwei Jungen - und ein Madellager beherbergt dieses Dorf. Ein drittes Jungenlager wird noch in diesem Monat bezogen. Allzu schnell vergingen die wenigen Aufenthaltsstunden in Frage und Antwort mit den Jungen, die alle schon alte Lagerhasen sind und ihr Abtenau so recht ins Herz geschlossen haben. Der Gesamteindruck konnte hier nur sein: bestens! Hatte der Besuch aus der Heimat mit den Pimpfen noch in strahlender Mittagssonne gesessen, so war es einige Stunden danach auf der Moaralm ganz anders. Die Pimpfe holten ihre Ski aus der Hutte und zeigten, was sie im schneereichen Winter auf ihren Brettln gelernt hatten. Ihre Sprunge von der selbstgebauten Sprungschanze waren fur unsere Nordseepimpfe gewifi beachtlich.
Die erste Tagesfahrt endete jenseits des Tauernpasses im Lager Tweng. Diesmal galt der Besuch 40 Pimpfen des jungsten Jahrgangs, die in ihrem Lagermannschaftsfuhrer Leo den fur alle treusorgenden Vater gefunden hatten. Gerade hatten die Pimpfe ihre neuen Jungvolkdienstanzuge be-kommen und stellten sich darin stolz ihrem Besuch vor. Ob die Aufnahme etwas geworden ist?
Der nachste Besuch galt dem Lager im Jungshof bei den Pinsgauern. Bald werden die Pimpfe neben dem Skilauf im Winter das im Bau befindliche Schwimmbad zur Verfugung haben. Das Haus hat durch die von den Jungen hergestellten Stuben - und Hausschilder eine besondere Note erhalten.
In Wagrein, der Heimat des Dichters Waggerl, waren die Pimpfe eifrig beim Uben. Am Abend sollte mit der Bevolkerung ein Dorfgemeinschafts-abend stattfinden. So wollten sie den Bauern und Bauerinnen Dank abstatten fur das schone Jahr, da sie nun schon Gaste von Wagrein sind.
Die Jungen im Lager Bruck an der Grofiglocknerstrafie machten einen sehr frischen Eindruck und strotzten vor Gesundheit.
Ihr Lagerlied:
Blonde und braune Buben, passen nicht in die Stuben.
Buben, die mussen sich schlagen, mussen was Tollkuhnes wagen,
Buben gehoren ins Leben hinein,
Buben sind stolz, ob sie grofi oder klein.
Und dann blitzende Sauberkeit in den Jungenlagern in Saalbach! Die Jungen, die zum Teil schon in der KLV in Schwaben gewesen
Waren, gaben hier einen schonen Beweis von den hervorragenden Werten der Kinderlandverschickung. Die Fahrt endete im Lager "Kaiser Karl" in Gr. Gmain. Hier waren 30 Pimpfe untergebracht.
Schade, dafi nicht mehr Eltern ihre Jungen und Madchen im herr-lichen Salzburger Land besuchen konnen."
Der Lehrer Freyer schrieb 1942 aus seiner Erfahrung in der KLV:
".... In dem Augenblick aber, da die gesamte Lagermannschaft, die Unterfuhrer eingeschlossen, auf dem Posten war, Disziplin erlebte, stieg sie herab von ihrem Lagerleiterton: Das Lager regierte sich selbst! Das war der hochste Triumpf der Einzel - und der Lagererziehung. Es ist schon etwas Grofies, wenn 13jahrige Jungen ohne grofie Beanstandungen durch den Lagerleiter von morgens fruh bis abends spat ihren Dienstplan tadellos durchfuhren."
"Der Deutsche Erzieher" 1942, S. 256)
Ein Handbuch von Claus Dorner fur Planung, Aufbau und Einrichtung, sowie fur die Arbeit, besonders die kulturelle Arbeit im Lager war 1937 durch eine Gemeinschaftsarbeit von aktiven HJ-Fuhrern und Sachbearbeitern in verschiedenen Staben der Jugendfuhrung entstanden (3. Auflage Potsdam 1941 wird hier zitiert). Darin wird grundsatzlich zu den Zeltlagern der Jungen und den Sommerlagern der Madchen u. a. folgendes ausgefuhrt:
"Einmal in jedem Jahr aber soil jeder gesunde Junge den harten Anforderungen des Dienstes in einem Zeltlager gerecht werden. Diese 14 Tage oder 3 Wochen, die er in oft ungewohnter Entfernung vom Eltern-haus, von elterlicher Fursorge und hauslicher Bequemlichkeit Tag fur Tag unter freiem Himmel verbringt, sind die eigentliche Bewahrungsprobe des einzelnen vor der Gemeinschaft. Die Zeit des Zeltlagers gibt dem Fuhrer Gelegenheit, seine Jungen wirklich in allen ihren Gewohnheiten, Eigen-heiten und Eigenschaften kennenzulernen; sie verlangt von jedem Unter-fuhrer eine restlose Bindung an die ubernommenen Pflichten, denn jeder Augenblick der Unsicherheit kann ihn um das Ansehen bei der ihm anvertrauten Gefolgschaft bringen. Wie das Lager den ganzen Jungen verlangt und den vollen Einsatz jedes Fuhrers und Unterfuhrers, so mufi auch umgekehrt die Wirkung des Dienstes stark und nachhaltig sein, denn die Erinnerung an die Erlebnisse des Lagers wird, ob im guten oder schlechten Sinne, fur jeden Teilnehmer noch auf lange Zeit hin Bedeutung haben." (Handbuch S. 7)
"Wir sagen von einem gelungenen Lager:
Die Stimmung war prima! Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dafi die Freude ihr Recht fand, dafi man Lachen horen konnte, wo immer man hinkam, und dafi jeder kriechende schlechte Witz im sicheren Gefuhl der Sauberkeit verbannt war. Neben den heiter-ernsten Stunden der Besinnung, wie wir sie im Gemeinschaftsabend von Zeit zu Zeit halten
Wollen, erleben wir auch ein - oder zweimal im Lagerablauf einen richtigen Lagerzirkus.
Doch gerade in der ausgelassensten Frohlichkeit bewahrt sich die Zucht einer wirklichen Gemeinschaft. Hier zeigt sich, dafi die Grenzen der Ausgelassenheit nicht erst durch aufiere Mittel und Ordnungsrufe herge-stellt werden mussen, sondern dafi jeder einzelne in der Verantwortung vor der Ordnung des Lagers diese Grenzen kennt.
Neben der Zucht des Leibes steht die Zucht des Geistes: Sie verlangt, dafi wir uns an die ungeschriebenen Gesetze unserer Weltanschauung binden, dafi wir in der Satire die Ehrfurcht bewahren vor Dingen, die wir niemals dem Spott aussetzen durfen, dafi wir die Herausstellung unserer Forderungen in Grenzen halten, die uns die Achtung vor der alteren Generation setzt, dafi wir in frohlichen Stunden im gleichen Mafie die Haltung zeigen, die uns fur den Dienst als selbstverstandlich erscheint, und dafi wir endlich in den Stunden der Feier die heiligsten Worte und Begriffe vor Mifibrauch schutzen." (Handbuch S. 7 und 8)
"Dem Wesen und den eigenen Formen der Madelerziehung entspricht es, wenn die Sommerlager des BDM in Jugendherbergen abgehalten werden. Hier spricht der Raum die Madel unmittelbar an und wirdfur sie Anregung bedeuten bei der Gestaltung ihres eigenen Heims in spateren Jahren. Es ist ja nicht allein die Tatsache, dafi die Kleider in einem Jugendherbergslager in besserer Ordnung gehalten werden konnen, es ist — auch wenn die Madel sich bei gutem Wetter naturlich den ganzen Tag im Freien aufhalten werden — diese aufiere Ordnung doch zugleich Ausdruck der besonderen Notwendigkeiten der Madelerziehung. Die Werkarbeit und die Arbeit mit Musikinstrumenten kann nur in geschlossenen Raumen in dem erforderlichen Mafie gepflegt werden. Die Jungen-Werkarbeit mag sich im Lager mit Schnitzen, Anlegen von Zeltgarten usw. begnugen, die Madel-Werkarbeit verlangt vielerlei Material in Papier und Stoff, verlangt den Tisch als Unterlage." (Handbuch S. 8)
"Wir sind nirgends naher mit der Natur und Landschaft in Beruhrung als im Zeltlager. Nirgends fallen mehr alle durch lange Gewohnheit erstarrten, nichtssagenden Formen ab als im Lager. Da das Lager fur unsere Erziehung so wichtig ist, mussen wir fur eine klare Gestaltung eintreten, damit schon der Rahmen uns anspornt, verpflichtet und wir auf das Gelingen stolz sein konnen.
Es gilt — wie immer, wenn der Mensch der Natur etwas abringt — zwischen dem ordnenden Zweckstreben des Menschen und der nur scheinbar geordneten, grofizugigen Natur Einklang zu schaffen. Der Mensch fugt seine Werke der Natur ein und gebraucht die Natur dabei als seine grofie Lehrmeisterin." (Handbuch S. 13)
"Die altesten Lager, die wir kennen, sind von romischen Soldaten gebaut. Der Romer, von Natur ein nuchterner Politiker und Soldat, ging in seiner Zweckmafiigkeit sogar so weit, dafi er eine Lagerform entwickelte, die ganz unter den Gesichtspunkt des Kampfes gestellt war. Auf kleinstem Raum drangten sich viele Zelte zusammen, durch ein Achsenkreuz von Strafien geteilt, von Wallen mit Palisaden und Graben umschlossen....
Wahrend der Gesichtspunkt des Schutzes gegen den Feind zum Teil rohe Eingriffe in die Natur verlangte, haben wir bei unserem Lagerbau andere Ziele und daher auch andere Mittel der Gestaltung. Diese etwas weit ausholenden Gedanken sollen uns zeigen, wo wir Gesetze finden, die fur uns passen. Sie sollen zeigen, dafi wir mehr auf die Siedlungsformen unserer Ahnen zu achten haben, als auf die rein militarischen Lager. Einmal sollen diese Gedanken zur eigenen Betrachtung anregen, zum anderen sollen sie beweisen, dafi trotz der unterschiedlichen Aufgabe von Siedlung und Lagerbau ahnliche Gesetze gelten, da es sich ja um die friedliche Einfugung menschlicher Werke in die Landschaft handelt." (Handbuch S. 14)
GroBere Zeltlager wurden durch die HJ ab 1934 wahrend der Ferien - und Urlaubszeit durchgefuhrt. Dann setzte eine Urlaubs-aktion fur die werktatige Jugend ein. (Siehe Freizeitaktion S. 200). Ein Urlaub fur die Teilnahme an HJ-Zeltlagern wurde von vielen Betriebsfuhrern freiwillig gewahrt; spater wurde er im Jugendschutz-gesetz reichseinheitlich verankert. Die Zeltlager der Hitler-Jugend dienten sowohl der gesundheitlichen Erholung als auch der Ertuchti-gung und damit der erhohten Leistungsfahigkeit der Jugend. 1934 nahmen etwa 100.000 Jungen an 450 Zeltlagern teil; 1936 waren es in 1977 Lagern 561.764 Jungen. Von diesen waren 34,7 Prozent Schuler, 8,2 Prozent kaufmannische Berufe, 6,3 Prozent technische Berufe, 4,2 Prozent Land - und forstwirtschaftliche Berufe, 22,4 Prozent Handwerker, 21,4 Prozent Jungarbeiter; also 62,5 Prozent waren berufstatige Jungen.
Gemeinschaft im Zeltlager — Anweisung vom Gebiet—
"Das Lager umschliefit eine Gemeinschaft.
Es gibt keinerlei Besonderheiten weder fur den einen noch fur den
Anderen.
Jeder tut die gleiche Arbeit, macht den gleichen Dienst.
Alle essen dasselbe Brot.
Sie machen alles zusammen.
Duldet nicht, dafi einer der Jungen Sonderrechte hat.
Verteilt die Dienstverrichtungen vorher in gerechter Weise.
Schreibt die Lagerausrustung vor. Keiner darf mehr mitbringen.
Kein Junge darf Geld fur sich mitbringen. Keiner empfdngt fur sich Frefipakete.
Viele Tanten werden deshalb jammern.
Reden wir nicht vom Sozialismus, sondern sorgen wir dafur, dafi in unseren Lagern der Sozialismus gelebt wird."
Arztliche Versorgung im Zelt - oder Sommerlager — Anweisung —
"In erster Linie die Arzte der Hitler-Jugend, dann aber auch die Arzte des Amtes fur Volksgesundheit haben die Pflicht, sich um den Gesund-heitszustand in unseren Ldgern zu kummern. Dafur steht ihnen das Recht der Kontrolle selbstverstdndlich zu. Es soll versucht werden, wenn es eben geht, unsere HJ-Arzte wenigstens zeitweise in die Ldger zu bringen. Es erhalten gleichzeitig die Kreisamtsleiter des Amtes fur Volksgesundheit
Und die Kreisdrzte vom Gebiet aus Nachricht, wo und wann in ihrem
Gebiet Ldger stattfinden. Ihnen steht der Zutritt zum Lager jederzeit offen
Und es ist ihnen bereitwillig Auskunft zu geben.
Der Feldscher des Lagers uberzeugt sich jeden Morgen und Abend durch Rundgang uber den Gesundheitszustand im Lager, uber Sauberkeit in den Zelten, uber den Zustand der Fufie usw. Er kontrolliert die Latrinen, die Abwdsser- und Abfallgruben und die Kuche. Ihm ist die
Uberwachung der Heilmittel und des Verbandszeuges ubertragen. Wichtig ist die sorgfdltige Fuhrung des Krankenmeldebuches."