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14-05-2015, 17:15

HJ-Pressebericht v. 1. Dezember 1942

"Seit rund zwei Jahren ist die erweiterte Kinderlandverschickung der HJ ein feststehender und inhaltsreicher Begriff geworden. Nicht nur ist sie der Ausdruck hochsten Gemeinschaftserlebnisses fur die 10 bis 14jahrigen Jungen und Madel, sondern sie greift auch tief in das Leben der Familien ein. Ist es doch fur eine Mutter sehr schwer, oft auf Monate hinaus den Jungen oder das Madel aufierhalb des Elternhauses und unter der Obhut fremder Menschen zu wissen. Niemand weifi das besser als die in der KLV selbst tatigen verantwortlichen Menschen. Es ist aber deren wichtigster Grundsatz, alle Mafinahmen der KLV in enger Fuhlungnahme mit dem Elternhaus durchzufuhren. Es liegt in der Natur der Sache, dafi eine Mutter eher bereit ist, ihr Kind in ein anderes zuverlassiges Elternhaus zur Erholung zu entsenden, als in eine Lagergemeinschaft, wo die personliche Behandlung selbstverstandlich ihre Grenzen durch die gemeinsamen Be-lange der Mannschaft findet.

Es ist leider auf Grund der Gesamtverhaltnisse nicht moglich, der Elternschaft der in der Kinderlandverschickung befindlichen Jugendlichen einen direkten Einblick in die dortigen Verhaltnisse zu gewahren. Die-

Jenigen jedoch, zu deren Aufgabenbereich es gehort, sich an Ort und Stelle laufend oder durch lnspektionen mit dem Betrieb der KLV zu be-schaftigen, sehen das dortige Geschehen in den meisten Fallen ja nicht nur von einem allgemeinen sachlichen Standpunkt, sondern auch vom Stand-punkt der Eltern mit; sind doch die eingesetzten Fuhrungs - und Auf-sichtskrafte immer Menschen mit einer entsprechenden Lebenserfahrung, und sie haben in vielen Fallen selber Kinder.

"Es kann der Elternschaft versichert werden, dafi nicht nur in den Aufnahmegauen ein Stab von bewahrten Mannern und Frauen fur das Wohl der Madel und Jungen Sorge tragt, sondern dafi auch, soweit es die Kriegsverhaltnisse ermoglichen, eine standige Verbindung zwischen Heimatgau und Aufnahmegau besteht. Von einem kurzlichen Aufenthalt in verschiedenen Lagern des Gebietes Salzburg zuruckgekehrt, fuhle ich mich verpflichtet, einmal den Eltern einen Einblick in ein Leben und Treiben zu geben, wie es beispielhaft ist. Ich habe grundsatzlich nur Lager ohne vorherige besondere Anmeldung besucht. Ob ich indessen wahrend des Unterrichts, wahrend der Mittagspause, bei der Verpflegungsausgabe, zum HJ-Dienst oder in der Freizeit ein Lager betrat, ich habe niemals etwas feststellen konnen, was ernsthafte Bedenken vom allgemein sachlichen oder auch vom elterlichen Standpunkt aus hatte hervorrufen konnen.

Ein dreitagiger Aufenthalt in einem Jungenlager am Wolfgangsee liefi mich den Tagesablauf in einem solchen Lager in allen Einzelheiten miterleben. Ist es nicht unermefilich schon, wenn die Jungen in der noch herbstlich warmen Sonne unter herrlichen Baumen einen Schulunterricht erleben, der nichts mit dem alten Begriff "Pauken" zu tun hat, den ein Lehrer gestaltet, der trotz seiner besonderen Verantwortung sich so in die Lagergemeinschaft einfugt, dafi die Jungen ihn als den ihrigen ansehen, ohne dabei das Mafi an Disziplin zu vergessen, welches die Grundlage einer jeden Gemeinschaft bildet!

Die Mathematik verliert bei einem solchen Unterricht auch fur die Nichttalenlierten ihre Schrecken, und Deutsch und Geschichte gar werden in solchen "Schulklassen" zu einem wahren Erlebnis. Wenn die Jungen von der Anhohe herunter auf den blauen See schauen, wenn der Kranz der Berge herubergrufit, dann vermogen die Worte des Lehrers mehr zu sagen, als dieses auch bei dem besten Unterricht in genormten Schulklassen ihres Heimatortes moglich ware. Die Stunden des Sportes auf den Wiesen, im oder auf dem Wasser des Sees unter Aufsicht zuverlassiger Krafte werden die Jungen als Inbegriff frohen Erlebens bis in die spateren Tage ihres Lebens begleiten.

Und wie ist es an den Abenden? Wenn die gewaltigen Massive der Bergwelt sich vom letzten Hell des Himmels abheben und die Nebel uber den See streichen, dann werden vor der eindruckvollen Majestat der Natur auch die Jungen still. Sie rucken zusammen, plaudern, erzahlen von den Erlebnissen, von den Briefen aus der Heimat und von kommenden Tagen. Tag fur Tag sind sie gespannt auf den Wehrmachtsbericht, nehmen sie teil

Am grofien Geschehen der Zeit, horchen sie aber auf, wenn in kurzen inhaltschweren Worten vom Krieg in der Heimat berichtet wird. Nament-lich die etwas alteren wissen, was es bedeutet, wenn wieder und wieder feindliche Flugzeuge die Heimat angreifen; haben sie doch selbst mit ihrer Familie solche Stunden zu Hause miterlebt.

Es ist kein Heimweh in ihnen. Aber trotzdem richten sich dann ihre Gedanken besonders nach Hause. So glucklich sie sich zu schatzen wissen, in dieser Zeit solche Erholungsurlaube geschenkt zu bekommen, so sehr in ihnen auch der Wunsch ist, nach einem "Heimaturlaub" wieder erneut in ein Lager der KLV zuruckzukehren, fuhlen sie sich mit dem Elternhaus und mit allen Geschehnissen der Heimat aufs engste verbunden. Die Elternschaft moge aber eingedenk sein, wieviel es wert ist, immer und immer wieder die Moglichkeit zu haben, die Jungen und Madel, die eine Erholung notig haben, hinauszuschicken in die Lager der Kinderland-Verschickung. Jungen und Madel, die aus einer solchen Erholungszeit zuruckkommen, sind, das hat die Erfahrung gelehrt, seelisch und korper-lich besser denn je zuvor gewappnet, allen Schwierigkeiten der Zeit zu trotzen. Sie werden um so starker mithelfen konnen, diese uberwinden zu helfen mit ihren jungen Kraften."



 

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