Ein umfangreiches Zeitungswesen fur alle Altersstufen sorgte fur die journalistische Unterstutzung aller Aufgaben der Hitler-Jugend. Die Zeitschrift "Der Pimpf" richtete sich an das Jungvolk, die alteren Jungen lasen die Reichszeitung "Die HJ", die Madel "Das deutsche Madel". Das fuhrende Organ war die, seit 1936 vom Reichsjugendfuhrer selbst herausgegebene, Zeitschrift "Wille und Macht". Daneben erschien als amtliches Organ des Jugendfuhrers des Deutschen Reiches die Zeitschrift "Das junge Deutschland", die sich vor allem mit fachlichen Fragen der Jugenderziehung, der Sozial-politik, der Berufserziehung, der Hygiene, des Jugendrechts u. a. beschaftigte. Ab 1939 erschien als Reichszeitschrift der HJ "Junge Welt". Der Jugendherbergsverband gab die Zeitschrift "Jugend und Heimat" heraus, das Kulturamt der RJF die Zeitschrift "Die Spielschar". Fur die Gehorlosen gab es "Die Quelle", fur den sportlich interessierten Jugendlichen die Wochenzeitung "Sport der HJ".
Der Leiter des Presseamtes der Reichsjugendfuhrung schrieb uber das Zeitungswesen der Hitler-Jugend:
"Es darf niemals vergessen werden, dafi die politisch-weltanschauliche, religiose und standische Haltung eines Volkes von seiner Jugend miterlebt wird, d. h. vor der Machtubernahme befand sich die Jugend in demselben Zustand volliger Zersplitterung und Zersetzung wie das Volk selbst. Und hieraus erklarte sich dann auch, dafi die Jugendpresse sich in den Rahmen der damaligen Gesamtpresse mit ihrem destruktiven Charakter einpafite. Durch die Einigung der Jugend trat auf dem Gebiet der Jugendpresse eine solch elementare Anderung ein, dafi das Gefuge der Jugendpresse aus der Systemzeit zusammenbrach.
Es verschwanden nicht nur die unzahligen sozialdemokratischen und kommunistischen Jugend-Zeitschriften und Zeitungen, sondern daruber hinaus auch die grofie Anzahl von bundischen Presseerzeugnissen. Die sonst noch in Deutschland bestehenden Jugendzeitschriften, die sich nicht an eine Jugendorganisation wandten, sondern Kulturarbeit an der lieben deutschen Jugend leisten wollten, haben durch die Zusammenfassung der Jugend in der HJ und der damit verbundenen neuen Haltung der Jugend-zeitschriften in Stil, Grafik und Umbruch einen katastrophalen Niedergang ihrer Auflagen erlebt. Der Zusammenbruch vieler dieser Zeitschriften ist um so verstandlicher, als man weifi, dafi sich die Schriftleiter meistens aus
Pensionierten Oberlehrern rekrutierten und daher nicht mehr den Umschwung der deutschen Jugend um 180 Grad mitmachen konnten. Hierbei durfte interessieren, dafi ungefahr 20% der Schriftleiter in diesem Teil der Jugendpresse auch gleichzeitig die Verleger waren, und weiterhin 20% der Schriftleiter und Schriftleiterinnen Mitglieder des Verbandes der Schriftsteller waren, und somit heute der Reichskulturkammer angehoren.
Auch die grofie Tagespresse in Deutschland gibt in sehr vielen Fallen Jugendbeilagen heraus, die oft in Stil und Inhalt zu erkennen geben, dafi den verantwortlichen Schriftleitern dieser Beilagen von einem Umbruch im Leben der Jugend noch nichts bekannt geworden ist. Auch hier durfen nur junge Journalisten verwandt werden, die die HJ kennen.
Im Madelschrifttum gab es eine Richtung, die uns ganz klar das Leben und die Gesellschaft dieser Madel aufzeigt. Es sind all die vielen Zeitschrif-ten, die man unter dem Namen "Kranzchen" zusammenfassen kann. Das "Kranzchen", die Zeitschrift der hoheren Tochter, die zu Hause bei Klavierspiel und Handarbeiten, bei Unterhaltung und Geselligkeit im Freundinnenkreis den Sinn des Lebens fand, und deren Ziel es war, einen "gutsituierten" Mann bald zu heiraten.
Das Umschlagbild des "Kranzchens" zeigt einen Backfisch in weifiem Kleid, mit lachelndem Mund und geziert aufgestutzter Hand im Grase sitzend. Eine Unmasse verschiedener Themen fullte die Madelzeitschriften. Wenn wir aber hier und da einen Aufsatz lesen, und die Erzahlungen und Bilder genau ansehen, merken wir, wie alles mit derselben Haltung gesehen wird. Wie sehr man auch sucht, man findet nichts, was eine kritische Stellungnahme, eine Forderung fur das Leben des einzelnen enthalt. Das Aufgreifen auch der entferntesten Fragen wird als Zeitvertreib angesehen,
Man betrachtet alles, ohne sich fur oder wider zu entscheiden. Mit einer
Uns unfafibaren Hohlheit und Oberflachlichkeit ist man hier zu Werke
Gegangen. Wenn wir uns dann noch uberlegen, dafi zu der Zeit, da solche
Zeitschriften und Bucher verfafit wurden, die heftigsten politischen
Kampfe tobten, so konnen wir uns heute gar nicht vorstellen, dafi eine solche Abkapselung von der Wirklichkeit moglich war."
Schon vor 193 3 hatte es einen Pressedienst der Hitler-Jugend gegeben, der — unterbrochen durch Verbote — gut funktionierte. Daneben bestanden Gebietszeitungen, deren redaktionelle Arbeit durch den "Reichs-Jugend-Pressedienst" erleichtert wurde. Dieser wochentlich erscheinende Dienst wurde ab 1. April 1934 taglich herausgegeben. Er erfabte die gesamte Tagespresse des In - und Auslandes. Schriftstellerisch und auch auflagenmabig war die Zeitung "Das deutsche Madel", die vom Bund Deutscher Madel herausgegeben wurde, bald eine der erfolgreichsten Jugend-zeitschriften.
In der Reichsjugendfuhrung wurde 1935 eine "Presse-verbindungsstelle" eingerichtet, die zwischen der groBen Presse und der Reichsjugendfuhrung, aber auch zwischen der Regierung und den unteren Dienststellen der HJ, Vermittler war. Es wurden daneben personliche Verbindungen eingesetzt, d. h. in den Gliede-rungen bis zum Bann, spater bis zum Unterbann, wurden HJ-Fuhrer eingesetzt, die den ortlichen Zeitungen Informationen, Nachrichten und auch Material fur ganze Beilagen fur die Jugend vermittelten.
Wenn diese geistigen Arbeitsgebiete von der jungen Fuhrerschaft mit Erfolg bewaltigt werden, bei ihrer jungen Kameradschaft positive Auswirkungen zeigen, Anerkennung und Mitarbeit finden sollten, dann muBten sie im Geiste der Jugend gestaltet werden. Die Jugend ist sehr kritisch, sie spurt jede Unwahrhaftigkeit, sie wehrt sich gegen Hinterhaltigkeit. Sie will sich begeistern konnen, und sie kann ehrfurchtig aufschauen zu Echtheit, wahrer GroBe und weiB Kennen und Konnen zu schatzen. Die Jugend hat ein gesundes Gespur fur Charakter.
Erna Bohlmann schrieb 1935 in der Zeitschrift "Das deutsche Madel":
"Niemals erreichen wir unser Ziel allein durch Wissen; die erste Vorbedingung dazu ist eine Haltung, die nur durch das Erlebnis der Notwendigkeit erzielt wird. Darum sollen unsere Schulungsleiterinnen Fuhrerinnen sein, Menschen, die ihre Gefolgschaft Schritt fur Schritt den Weg des Erlebnisses nachgehen lassen konnen. Dieser Weg mufi zur be-dingungslosen Bereitschaft aus eigener Einsicht fuhren."
Was fur die geistigen Arbeitsgebiete Gultigkeit hatte, galt in ahnlicher Weise auch fur die korperlichen Erziehungsaufgaben.
Die korperliche Ertuchtigung
Die Ertuchtigung der Jugend durch den Sport stellte erhebliche Anforderungen an die Hitler—Jugend. Es sollten einerseits die Aufgaben der Vereine fur Leibeserziehung respektiert werden, andererseits muBte die HJ eine Breitenarbeit leisten, an der sich alle Jugendlichen beteiligen konnten. Die wertvolle Arbeit der Turn - und Sportvereine sollte durch Zufuhrung der korperlich gut veranlagten Jungen und Madel gefordert werden; die sportliche Breitenarbeit der HJ erforderte ganz andere Voraussetzungen als die Einzelarbeit in den Vereinen. Die korperliche Ausbildung aller Jungen und Madel wurde als Grundschule der Leibesubungen bezeichnet. Sie umfaBte u. a.: Bodenturnen, Boxen, Freiringen, Kampfspiele, Kurzstrecken-lauf, Hindernislauf, Gelandelauf, Hoch - und Weitsprung, Kugel-stoBen, Keulenweitwerfen, Schwimmen; fur Madel besonders Bewe-gungsgestaltung und Madeltanz.
Als sichtbare Anerkennung fur die Erfullung der Ubungen in der Grundschule stiftete der Reichsjugendfuhrer 1934 das Leistungs-abzeichen der HJ und des BDM, 1935 das Leistungsabzeichen des Jungvolks und 1938 das fur dreizehnjahrige Jungmadel. Die 10 und lljahrigen Jungen und Madel beteiligten sich an der Pimpfen - und Jungmadelprobe. Diese war eine Gemeinschaftsleistung der Schar und umfaBte nicht nur sportliche Ubungen. Das Fuhrerkorps der HJ trug seit 1937 alljahrlich den Fuhrerzehnkampf aus. Spater ermittelten die besten Zehnkampfer der Gebiete in Nurnberg die Reichsmeister. Das Amt fur Leibesubungen der RJF gab 1938 =
111.000 erworbene Leistungsabzeichen aus. Zur Grundausbildung der HJ gehorten auch SchieBen und Gelandesport. Sonderausbildun-gen erfolgten in Sondereinheiten: Motor-HJ, Marine-HJ, Reiter-HJ, Nachrichten-HJ, Flieger-HJ und im Luftschutz, der im Kriege fur alle Pflicht wurde. Der Hauptamtsleiter in der Reichsjugendfuhrung, Obergebietsfuhrer Dr. Schlunder, in "Wille und Macht" :
"Die HJ fuhrt auch Wettkampfe in grofiem Mafic durch, diese haben aber nicht das Ziel der Auslese der Besten, sondern die Teilnahme aller Jungen und Madel an den Wettkampfen, auch derjenigen, die sportlich
Nicht viel leisten. Das ist aber mit den bisherigen Formen des Wettkampfes, wo der Trdger des Wettkampfes der einzelne ist, nicht moglich.
Mit der Einfuhrung des Mannschaftswettkampfes, bei dem nicht der einzelne Hitlerjunge, sondern die kleinste Gemeinschaft, die Kamerad-schaft bzw. Jungenschaft die Trdgerin des Kampfes ist, schuf die Hitler-Jugend zum ersten Male die Moglichkeil der Teilnahme aller Jungen und Mddel am Wettkampf, denn nun sind auch diejenigen an den Wettkdmpfen interessiert, die sportlich nicht zu den Besten gehoren, da auch ihre geringen Leistungen im Rahmen der Mannschaft gewertet werden. Damit ist das Leistungsstreben der Jugend nicht mehr ausschliefilich dem "Ich", sondern dem "Wir" der Gemeinschaft untergeordnet. Die Wettkdmpfe werden zuerst innerhalb der Fdhnlein und Gefolgschaften ausgetragen, in denen Jungenschaften bzw. Kameradschaften um den Sieg kdmpfen. Die beste Jungenschaft und Kameradschaft nimmt an den Bann - und Jungbann-wettkdmpfen teil. Die hier ermittelten Siegermannschaften nehmen an den Gebietswettkdmpfen teil, deren Sieger dann die besten Mannschaften im Reich feststellen. 1935 und 1936 wurden die Mannschaftswettkdmpfe der Fdhnlein und Gefolgschaften in das Deutsche Jugendfest, zu dem die Reichsregierung alljdhrlich aufruft, und das zur Sonnenwende stattfindet, eingebaut und bildeten dort den Mittelpunkt des Wettkampfes."
Spater wurden auch Einzelmeister in verschiedenen Sportarten ermittelt, und zwar anlaBlich der europaischen Jugend Sportveran-staltung in Breslau und Garmisch-Partenkirchen.
Baldur von Schirach meinte zur korperlichen Ertuchtigung der Madel, es kame nicht darauf an, wie hoch oder wie weit ein Madel springen konnte, sondern darauf, daB der Korper harmonisch durch-gebildet sei und das Madel sich anmutig bewegen konne.
Die Jungmadelprobe zielte nicht auf den Erwerb eines person-lichen Leistungsabzeichen ab, sondern es ging fur die einzelne darum, sich als Jungmadel in der Gemeinschaft zu beweisen. Die Anforderungen auf den Gebieten des Sports, der Fahrt und des Heimabends erstreckten sich zunachst auf Mut und Geschick-lichkeit, auf Korperbeherrschung am Hindernis, auf Treffsicherheit beim Ballwurf, auf Mut beim Springen und auf schnelles Erfassen der Lage. Nicht Stoppuhr und BandmaB legten Leistungen fest. Die Gemeinschaftsleistung war der Ansporn zur Einzelleistung.
Auf Fahrt verlangte die Jungmadelprobe Kenntnisse in der Tier-und Pflanzenwelt der Heimat, der Hauptkartenzeichen, des Ruck-sackpackens und der Vorbereitung einer Kochstelle im Freien als Gemeinschaftsleistung.
Am Heimabend muBten die elfjahrigen Madel Kenntnisse der Karte von Deutschland nachweisen; sie muBten die Grenzen des Reiches aus dem Gedachtnis zeichnen konnen, politische Fuhrer und deren Aufgabe sowie nationale Feiertage benennen.
Die Jungmadel konnten mit 13 Jahren freiwillig ein Leistungs-abzeichen erwerben. Die zu erbringenden Leistungen dafur waren vom Durchschnitt zu leisten. Sie bauten auf die Jungmadelprobe auf, bedeuteten jedoch eine Leistungssteigerung und setzten in ihrer Vielgestaltigkeit erhohtes Konnen und groBere Korperbeherrschung voraus. Nach gleichem Prinzip wurden "Pimpfenproben" durch-gefuhrt.
Bericht aus "Das deutsche Madel":
"Als die Korperschulung zu Ende ist, als die Madel die Reihen schliefien, lost sich die Spannung in den Reihen der Zuschauer. Alles ist begeistert, klatscht und ruft, winkt und lacht, und Stimmen werden laut: 'Das ist doch etwas anderes als das blofie Hin und Her der Arme!' — Weifit Du noch, wie wir nach dem harten Takt des blofien Zahlens unsere Glieder ruckartig in Betrieb setzten. Aber so wie hier macht die Korperschule Spafi, so geht der ganze Mensch mit. Das war 1935, als zum ersten Male bewufit, zur Bewegungsschule der Madel die Musik den Takt bestimmt und nicht das harte Eins — Zwei. Harmonische Bewegung — das Wort hatte schon im vorigen Jahr die gesamte Korperertuchtigung beherrscht. Hinrich Medau war in den Stab der Reichsjugendfuhrung berufen worden. Er sagte: 'Rhythmus — das sind die urorganischen Bewegungen, die wir verlernt hatten und die es zu wecken gilt."
Der Rhythmus der Musik und die Bewegungen und Schwingun-gen des Korpers werden so in Einklang gebracht, daB eine Form entsteht, daB eine Figur die andere hemmungslos ablest und jeder Schritt, Sprung und Schwung schon wirkt. Unsere Madel sollen an Leib und Seele gesund sein, sie sollen naturliche Anmut zeigen und sich frei bewegen konnen.
Die Hitler-Jugend gab der ganzen deutschen Jugend die Moglich-keit, die ihr von der Natur gegebenen Anlagen harmonisch zu entwickeln. Die ursprungliche und naturliche Freude der Jungen und Madel am Springen, Laufen, Tollen und Spielen ist das Element einer planmaBigen korperlichen Ertuchtigung der jungen Generation in der Hitler-Jugend gewesen. In jedem Jahr rief die Hitler-Jugend zum Reichssportwettkampf auf, der zu einer Demonstration der Gesundheit und Kraft wurde.
Die gesamte deutsche Jugend sollte in der Hitler-Jugend die Moglichkeit zur korperlichen Ertuchtigung auf breitester Grundlage finden. Diese wurde als Dienst, als Dienst am Vaterland empfunden.
"HJ im Dienst":
"Hitler-Jugend-Dienst hat aber nichts mit einer militarischen Ausbil-dung oder gar Soldatenspielerei zu tun. Die Waffe ist nicht fur die Hitler-Jungen, sondern fur den Soldaten da. Der Waffendienst ist nicht Aufgabe der heranwachsenden Jugend, sondern der Armee."
Die Idee, aus der heraus die Hitler-Jugend die Leibeserziehung gestalten wollte, war ahnlich der griechischen Vorstellung vom Gymnasion. Das war die Statte, wo die jungen Manner — meist nackt (Gymnos) — ihren Korper stahlten. Das Ziel dieser Leibeserziehung war nicht die Hochstleistung, gemessen in Zentimetern und Sekunden, sondern der harmonische Gleichklang korperlicher Be-wegung und geistiger Beweglichkeit. Diese olympische Idee hat Leni Riefenstahl im Vorspann zu ihrem Film von der Olympiade in Berlin 1936 in klassischer Form dargestellt. Was die HJ ablehnte, das war so etwas wie die alten romischen Zirkusspiele, (Panem et circenses). Die Masse des untergehenden Volkes ergotzte sich an moglichst blutigen Sportspielen, die von Sklaven und Tieren vorgefuhrt werden muBten. Die Hitler-Jugend wollte die olympische Idee, das griechi-sche Gymnasion, die griechische Gymnastik, die Einheit von Korper, Geist und Charakter als Erziehungsziel.
Diese idealistische und olympische Grundhaltung der Hitler-Jugend zur Leibeserziehung kann heutzutage kaum noch nachvoll-zogen werden. Der Sport wird zunehmend monetar und kommer-ziell versumpft. Selbst die olympischen Spiele konnen kaum noch olympisch genannt werden.
Wie viele andere sucht auch Hajo Bernett eifrig nach Negativ-Zitaten aus der Literatur der Hitler-Jugend.
In der Vielzahl der Veroffentlichungen der NS-Zeit laBt sich schon manche uberschwangliche Formulierung der Epigonen finden. Aber selbst Zitate von Helmut Stellrecht sind nicht beweiskraftig in dem Versuch, die Leibesubungen der HJ als Vorbereitung fur den Kriegsdienst abzustempeln, Stellrecht muBte wegen seiner Einstel-lung zum Erziehungsziel der deutschen Jugend die Hitler-Jugend verlassen.
Hajo Bernett spricht von zwei Amtern der Reichsjugendfuhrung, die fur die Leibeserziehung verantwortlich gewesen seien; vom Amt fur Leibesubungen und vom Amt fur korperliche Ertuchtigung. Diese beiden Amter "steuern die korperliche Mobilmachung" der Jugend. Richtig ist, dab es 1935 eine Abteilung korperlicher Ertuchtigung in der RJF gab. Im Jahre 1937 wurde der Reichssportfuhrer von Tschammer und Osten Beauftragter des Reichsjugendfuhrers fur Leibeserziehung der deutschen Jugend. Dr. Stellrecht war ihm unterstellt als Chef des Hauptamtes Leibeserziehung in der RJF. 1938 ubernahm Dr. Schlunder dieses Hauptamt. Nach Kriegsaus-bruch bildete dieses Hauptamt drei Amter: Amt fur Wehr-
Ertuchtigung, Amt fur Leibesubungen und Amt Schulen. Das Amt Wehrertuchtigung war kriegsbedingt eingerichtet worden.
Wenn Hajo Bernett in "Nationalsozialistische Leibeserziehung", 1966 Schorndorf, auf die von Dr. Schlunder formulierte Zielsetzung der Leibeserziehung der HJ verweist, (2.10. Fubnote 3) dann sollte er die dort genannte Quelle auch zitieren. Die Unterlassung ist fur uns Anlab genug, das hier nachzuholen. Schlunder schrieb in "Wille und Macht", 1936 Heft 14/15 S. 12:
"Das Ziel der korperlichen Erziehung in der Hitler-Jugend ist die Erweckung der Begeisterung fur die sportliche Betdtigung, die Steigerung der korperlichen Leistungsfdhigkeit und die charakterliche Schulung der deutschen Jugend.... Sie sollen in erster Linie die gesundheitsschddigenden Auswirkungen, die der Krieg, die Inflation und die Arbeitslosigkeit brachten, beseitigen. Sie sollen die Jugend gesund, stark und leistungsfdhig
Machen..... So bejaht die Hitler-Jugend nicht nur eine sportliche Leistung
Und Hochstleistung, sondern verlangt sie auch von ihren Jungen, da diese Leistungen nicht mehr ausschliefilich um der Leistung willen, sondern im Rahmen der gesamten Erziehung erzielt werden. Sie fordert harte korperliche Schulung von ihren Mitgliedern auf dem Sportplatz und in der Turnhalle."
"Weder der Sport noch die geistige Bildung hat den Vorrang und beide nutzen nichts, und mogen sie in ihren Leistungen einen noch so hohen Stand erreicht haben, wenn sie nicht von einem Charakter getragen werden, der jeder Belastungsprobe standhdlt."
Was sollen Begriffe wie: Pratention, exzessive Fantasie, Archais-mus, oder vitale Freude am Herrschen? Der Professor Bernett hat sich anscheinend so weit von der Mentalitat eines deutschen "Pimpfen" entfernt, dab er die Moglichkeit der erzieherischen
EinfluBnahme auf die deutsche Jugend nicht mehr "ins Kalkul ziehen" kann. Ein selbsternannter Geistes-Sportler konnte sich vielleicht daran berauschen, sich von oben zitierten Begriffen auf einen geistigen Thron in hoheren Spharen verwehen zu lassen. Der Geist, der auf Fahrten und in Zeltlagern der Hitler-Jugend wehte, kam aus dem Gemeinschaftserlebnis und der Liebe zur Heimat.
Wehrertuchtigung
Nichts begeisterte die Jugend mehr, als durch Wald und Feld zu streifen, mit dem Gelande fertig zu werden, zu beobachten, sich zu tarnen, sich anzuschleichen, Tiere oder Kameraden zu uberlisten. Alles dieses wurde in der Wehrerziehung der Hitler-Jugend plan-maBig geschult, damit es im Gelande im Spiel praktisch erprobt werden konnte. Die Unbilden der Natur mit Regen, Kalte und Hitze muBten ertragen werden und die Jungen lernten, sich dagegen zu schutzen.
Diese Ausbildung fur die Gelandespiele hatte mit vormilitarischer Ausbildung nichts zu tun. Waffen durften nicht mit ins Gelande genommen werden und Waffenwirkung entschied nicht den Ausgang der Gelandespiele. Schon das Prinzip der jungen Fuhrung lieB eine vormilitarische Ausbildung nicht zu. Eine Regierung oder ein Ju-gendverband, der die Jugend militarisch ausbilden will, wird zu diesem Zweck keine Jugendfuhrer einsetzen, die uberhaupt nicht Soldat gewesen sind. Unter den Zehntausenden von HJ-Fuhrern befand sich kaum einer, der den Weltkrieg mitgemacht hatte.
Erlernt wurden: das Kartenlesen, das Zurechtfinden im Gelande mit und ohne Karte, das Entfernungsschatzen, Beobachtungen mitzuteilen, Tarnen, Gelandebeschreiben und - beurteilen, Ziele ansprechen und Skizzen anfertigen. Fur die Durchfuhrung des Gelandesports wahrend eines Zeltlagers wurde von einem Gebiet folgende Anweisung gegeben:
"Die Anweisungen fur die Zeltlager unterscheiden beim Gelandesport Gelandespiele und Ordnungsubungen. Als Beispiele fur Gelandespiele
Werden angefuhrt: Orientierungslauf bis zu zwei Kilometern, Auskund-
Schaften eines anderen Lagers, Schatzsuche, Rduber und Gendarmen, Durchbruch durch eine Sperrkette, Schnitzel]agd. Die Spiele konnen mit einem Kampf um einen 'Lebensfaden' am Oberarm verbunden werden, keinesfalls sollte das Spiel schon nach kurzer Zeit in eine wilde Rauferei ausarten. Sie sollen mit Seh - und Horubungen verbunden werden. Das mit den Sinnen Wahrgenommene soll wiedergegeben werden.
Die Ordnungsubungen sollen nur kurze Zeit in Anspruch nehmen. Langes Exerzieren ist zu vermeiden, weil es geisttotend ist. Vielmehr ist auf Ordnungsubungen nur soviel Zeit zu verwenden, wie zur Erlernung der Grundformen und einer guten Haltung der Jugend notwendig ist. Eine Schiefiausbildung darf nur dann im Lager durchgefuhrt werden, wenn wirklich geeignete Schiefilehrer genugend Gerdte und ein grofier Schiefi-stand vorhanden sind. Die dlteren Pimpfe schiefien mit Luftgewehr, die Jungen der HJ mit Kleinkalibergewehr."
Fur das HJ-Leistungsabzeichen im Funfkampf der 16 bis ISjahrigen Jungen konnte die Wehrkampfbahn gewahlt werden. Diese war 200 m lang und hatte 7 Hindernisse:
1. eine Hurde: 50 cm hoch und darauf 25 cm Strauchwerk
2. eine Kletterwand, 2 m hoch
3. eine Hurde wie unter 1
4. ein Weitsprung: 5 m Graben, etwa 1,30 m tief, flach auslaufend mit 30 m Anlaufflache
5. vier Gelandesprunge zu je 10 m
6. 10 m Kriechen unter 80 cm hohem Hindernis und
7. 10 m Robben unter 50 cm hohem Hindernis.
Fur die Marschleistungen der einzelnen Altersstufen waren all-gemein folgende Grenzen gesetzt:
Altersklasse Einzelmarsch Durchschnitt bei Gepack
Mehrtag. Wandern
10 Jahre |
8- 10km |
- |
- |
11 Jahre |
10 km |
- |
- |
12 Jahre |
15 km |
10- 12km |
- |
13 Jahre |
18 km |
12 - 15 km |
- |
14 Jahre |
20 km |
15 km |
- |
15 Jahre |
22 km |
18 km |
5 kg |
16 Jahre |
25 km |
20 km |
5 kg |
17 Jahre |
25 km |
20 km |
7 kg |
18 Jahre |
30 km |
25 km |
10 kg |
Die Arzte der Hitler-Jugend hatten genaue Richtlinien fur die Durchfuhrung von Marschen und Wanderungen aufgestellt, die durch die HJ-Fuhrer einzuhalten waren und uberpruft wurden. Diese bezogen sich auf Ruhepausen, Witterung, Kleidung usw.. Der Wehr-ertuchtigung wurde bei Ausbruch des Krieges naturlich groBere Beachtung geschenkt. Die Jungen nahmen mit viel mehr Einsicht und mit mehr Interesse teil. Bis zu einem Drittel der Teilnehmer waren Freiwillige, die nicht Mitglieder der HJ waren. Auch die theoretische und praktische Ausbildung der Sondereinheiten der Hitler-Jugend fand groBeres Interesse. Diese waren nach den Inter-essen der Jungen bei den Bannen aufgestellt worden als: Marine-HJ, Flieger-HJ, Motor-HJ, Nachrichten-HJ oder Reiter-HJ. Im Luft-schutz sollten moglichst alle Jugendlichen, Jungen und Madel, uber 15 Jahre ausgebildet werden.
Allmahlich erkannte auch die Wehrmacht den Wert und den Umfang der Wehrertuchtigung durch die Hitler-Jugend. Sie stellte Ausbildungsgerat und spater auch Ausbilder zur Verfugung. Das fuhrte im Kriege zur Einrichtung von Wehrertuchtigungslagern durch die Hitler-Jugend.
Die SchieBausbildung blieb weiterhin auf den SchieBstand beschrankt, zum Gelandedienst durfte auch im Kriege kein Gewehr mitgenommen werden. Die Leistungen im SchieBen wurden gefor-dert durch SchieBauszeichnungen in mehreren Klassen, ahnlich wie bei den Schutzenveremen. Jeder Junge sollte aber moglichst folgen-de Leistungen erfullen: Zwolfringscheibe, Entfernung 50 Meter,
Liegend aufgelegt funf SchuB, Durchschnitt sieben Ringe: dasselbe liegend freihandig Durchschnitt sechs Ringe.
Diese SchieBausbildung und der Gelandedienst fanden bei allen Jungen ein sehr reges Interesse, und alle waren mit Ernst bemuht, den Soldaten nachzueifern.
Wenn sie aber ihren Wehrdienst beginnen muBten, wurde keinem, auch nicht den Ausbildern der Hitler-Jugend, die Grundausbildung geschenkt. Diese wurde ohne Ansehen des Dienstranges der HJ von allen verlangt.
Der Gelandedienst in Friedenszeiten entsprach ebenso wie die SchieBausbildung der Ertuchtigung der Jugend in den meisten anderen Landern. Sie stand nicht im Widerspruch zu den ent-sprechenden Abmachungen der Genfer Konvention.
Die Behauptung, die deutsche Jugend sei von einem kriegsluster-
Nen Regime militarisch gedrillt und verheizt worden, ist eine Verleumdung.
Im ProzeB gegen die "Hauptkriegsverbrecher" in Nurnberg ver-suchte Anklagevertreter Mr. Dodd, von Schirach und die Hitler-Jugend im Sinne des Kriegsverbrechens durch vormilitarische Aus-bildung zu belasten (s. Bd. XIV der Sitzungsprotokolle S. 509ff). Als Beweis zog der Anklager Reden und Schriften von Dr. Helmut Stellrecht heran. In Stellrechts Buch "Wehrerziehung der deutschen Jugend" fand sich ein Geleitwort des Generalfeldmarschalls von Blomberg.
Nun zitierte Mr. Dodd Stellrecht, der sich auf dieses Geleitwort bezog:
"Es ist deshalb eine ernste und unabdingbare Forderung, die der Generalfeldmarschall schon an die junge Mannschaft richtet, die in den Formationen der Hitler-Jugend marschiert..."
Der Anklager wendet sich an v. Schirach:
"Herr Zeuge! Zumindest damals, im Jahre 1938, sahen Sie und ebenso Generalfeldmarschall von Blomberg die Hitler-Jugend unter dem Blick-punkt des zukunftigen Militardienstes. Das will ich klarstellen. ... Dieser Stellrecht stand mit Ihnen in Verbindung, stimmt das nicht? "
Von Schirach antwortete:
"Dr. Stellrecht hat das Amt "Ertuchtigung" in der Jugend gehabt unter dem Reichssportfuhrer von Tschammer-Osten. Dieses Amt war eines von 21 Amtern der Reichsjugendfuhrung."
Dann zitiert Mr. Dodd aus einem Vortrag, den Dr. Stellrecht 1937 vor Angehorigen der Wehrmacht gehalten hatte:
"Deshalb wird auch keinem Jungen eine Militarwaffe in die Hand gegeben. Einfach deshalb, weil es entwicklungsmafiig sinnlos erscheint. Aber auf der anderen Seite erscheint es wieder sinnvoll, ihm Ubungs-buchsen kleineren Kalibers in die Hand zu geben. So wie es aber Aufgaben der militarischen Ausbildung gibt, die nur in das Mannesalter passen, so gibt es auch Aufgaben, die viel besser im Jugendalter in Angriff genommen werden."
"Dieses Bild ist das Ziel der grofien Erziehung, die mit der spielerischen Ausbildung des Jungen im Gelande beginnt und in der Ausbildung im Heeresdienst sich vollendet."
"Jede Ausbildung gipfelt deshalb in der Schiefiausbildung. Man kann kaum einen zu grofien Wert darauf legen, und weil Schiefien Ubungssache ist, kann man kaum fruh genug damit beginnen. Wir wollen erreichen, dafi den Jungen die Buchse ebenso sicher in der Hand liegt wie der Feder-halter. "
"Neben der Allgemeinausbildung steht die Sonderausbildung fur den Nachwuchs der Luftwaffe, Marine und Kraftfahrtruppe. Der Ausbildungs-gang dafur ist mit den zustandigen Stellen der Wehrmachtfestgelegt, .. die auf eine moglichst breite Grundlage gestellt wird, und auf dem Lande eine Reiterausbildung."
"Meine Herren, Sie sehen, die Aufgaben, die der heutigen Jugend-erziehung gestellt sind, sind langst dem 'Spielerischen' entwachsen."