"Baldur von Schirach war ein musischer, kunstlerischer und daher sensibler Mensch. Das Klischeebild sieht ihn nur an der Seite Hitlers. Aber der Sohn des Generalintendanten des Weimarer Nationaltheaters und Sohn einer amerikanischen Mutter hatte in seiner Personlichkeit auch anderes als nationalsozialistisches Gedankengut verarbeitet. In der Welt der Oper kannte er fast jede Partitur, dort suchte er Harmonie. In der bildenden Kunst engagierte er sich gegen Fuhrer und Schwiegervater. Dafi Jugend im Knabenalter schon Uniform tragen sollte, hatte er bei Goethe gelesen, nicht erst im Braunen Haus erfahren. Verarbeitete kunstlerische und geistige Eindrucke wufite er anschaulich und mit Passion weiterzugeben. Der Umgang mit ihm war fur Angehorige und Freunde sicherlich nicht immer einfach; aber sein Rat war klug, sein Herz gutig und tolerant, sein hoher Bildungsgrad fur den Partner ein wirklicher Genufi. Wir werden sein Programm, dafi Jugend von Jugend gefuhrt werden soll, und das, was er in seinem Buch "Revolution der Erziehung" niedergelegt hat, nicht auf die Vereinbarkeit mit unserem Grundgesetz betrachten durfen. Das galt damals leider noch nicht. Wir werden aber eines Tages die Erziehungsideale von ihrer mifibrauchlichen Verwendung zu unterscheiden wissen und ewig Gultiges darin wiedererkennen lernen. Und dann wird man sich auch Baldur von Schirachs wieder erinnern, denn dafi irgendwann ein Vaterland die Einsatzfreude seiner Jugend ansprechen mufi, ist jedenfalls fur alle Zukunft, wie wir ja anderweitig beobachten konnen, nicht ausgeschlossen. Nicht wegen einer Rede, die er gehalten hatte, nicht wegen der Befolgung von Anordnungen der Reichsregierung in seiner Eigenschaft als Wiener Reichsstatthalter, safi er fur zwanzig Jahre in Spandau ein, sondern weil er die Symbolfigur dieser Jugend und ihrer fuhrenden Krafte war. Diese ungeheure Burde von zwanzig Jahren samt all ihren Folgen im engsten menschlichen Bereich wurde ihm stellvertretend fur die deutsche Jugend auferlegt: auf dafi sie weiterleben, auf dafi sie ein neues Leben aufbauen konnte!"
So hat sich Baldur v. Schirach in das "Wir" der deutschen Jugendgemeinschaft gestellt bis zuletzt, bevor verriegelte Tore in Spandau sein Wirken und in hoherem Sinne sein Leben beendeten. Woher ihm die Kraft fur seinen "Dienst" in der deutschen Jugend zuwuchs, bekennt das Wort auf seinem Grabstein:
Ich war einer von Euch
Auslandische Jugendorganisationen
Ein Uberblick uber auslandische, besonders europaische Jugend-verbande, ihre Zielsetzungen und Organisationsformen, kann sicher dazu beitragen, die Hitler-Jugend im Vergleich mit damaliger Jugendarbeit objektiver zu beurteilen.
Italien
In Italien schuf Mussolini durch Gesetz vom 3.4.1926 die "Opera Nazionale Balilla' (Nationales Italienisches Erziehungswerk), 1937 ersetzt durch die "Gioventi Italiana del Littorio", die die gesamte Jugend vom 6. bis 21. Lebensjahr umfaBte. Aufgaben: die geistige, korperliche, sportliche und vormilitarische Erziehung; Turn - und Sportunterricht in den Volks - und Mittelschulen; Durchfuhrung von Fahrten zu Land und zur See; Aufsicht uber Erholungsheime und ahnliche Einrichtungen.
Die Hoheitstrager der Partei waren jeweils hochste Jugendfuhrer. Die Hochschule fur Jugendfuhrung war die "Accademia Fascista" auf dem Forum Mussolini in Rom und fur die Madchen in Orvieto.
Spanien
In Spanien war einzig die "Falange" — Jugend vom Staat anerkannt. Die weibliche Jugend war dem groBen Frauenwerk "Falange Feminina" eingegliedert.
Portugal
Auch Portugal hatte eine Staatsjugend ausgebildet. Durch Gesetz vom 19.5.1936 wurde in Portugal die "Organisacao Nacional da Mocidade Portuguese" geschaffen, die die gesamte Jugend erfaBte. Die Ausbildung erfolgte in vier Altersstufen und galt auch der vormilitarischen Ertuchtigung. Die Fuhrung lag in Handen des Nationalkommissars.
Ungarn
Ungarn hatte auch fruhzeitig eine Staatsjugend eingerichtet. Im Dezember 1921 wurde die "Levente" — Jugend (Levente — junger Recke) fur die gesamte Jugend vom 12. bis 21. Lebensjahr pflicht-gemaB eingefuhrt. Die Levente unterstand dem Kultusminister. Die Ausbildung trug wehrsportlichen Charakter. In den Mittelschulen sorgte der Sportverband "Kisok" fur korperliche Ertuchtigung. AuBer der Levente bestand die ungarische Pfadfinderschaft.
Rumanien
In Rumanien wurde ebenfalls eine Staatsjugend eingerichtet. Durch Gesetz vom 6.4.1937 wurde als staatliche Jugendorganisation die "Straja Trii" (Wacht des Landes) gegrundet, deren Mitglieder "Strajeri" (Wachter) hieBen. Der oberste Jugendfuhrer hatte Rang und Vollmacht eines Ministers und unterstand unmittelbar dem Konig.
Griechenland
In Griechenland wurde die Staatsjugend am 7.1 1.1936 als "Na-tionalorganisation der Jugend" errichtet. Ein Jahr spater trat das Gesetz in Kraft und Canellopulus wurde Jugendfuhrer.
Bulgarien
In Bulgarien hatten die Bestrebungen fur eine Staatsjugend bis 1938 keinen Erfolg. Parteipolitisch ausgerichtete Jugendgruppen waren verboten. Die Pfadfinder sollten den Stamm fur die Staatsjugend abgeben und wurden vom Staat am meisten gefordert. Von groBerem nationalen Elan getragen waren die 1930 entstandenen "Legionen" gegen Judentum und Marxismus. Erwahnenswert war noch der Revisionistenverband "Otez Paisi".
Sudslawien war 1929 auf dem Wege zu einer Staatsjugend. Der "Sokol" — Verband wurde 1929 staatlich anerkannt. AuBerdem bestanden ein Pfadfinderverband und viele kleine Jugendvereine. 1934 wurde ein "Gesetz fur die allgemeine korperliche Ertuchtigung der Jugend" verkundet.
Albanien
In Albanien strebte man auch nach einer Staatsjugend. Vorlaufig (1939) war die gesamte Schuljugend in der Organisation "Der Albanische Adler" erfaBt.
Schweiz
In der Schweiz verband der "Schweizer Pfadfinderverband" alle Stamme und Volksteile; er war vom englischen Vorbild beeinfluBt. Marxistische Jugendverbande waren schwach. Von EinfluB waren die Konservativen, in der Westschweiz die "Jeunes Travailleurs", ein politisch-katholischer Verband, dem in der deutschsprachigen Schweiz der "Katholische Jungmannschaftsverband" entsprach. Die Jugend der "Nationalen Front" nannte sich "Eidgenossische Arbei-terjugend". Bekannt war das Schweizer Jugendfursorgewerk "Pro juvente."
Frankreich
Frankreich hatte keine lebenskraftige Organisation der Jugend entwickelt. Nur die katholische Jugend hatte groBere Organisationen mit fast 200.000 Mitgliedern. Auch von den vier Pfadfinderverban-den waren die beiden katholischen "Scouts de France" die stark-sten. Der sportlichen Ausbildung wurde wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Baltische Staaten
In den baltischen Landern waren die Bemuhungen um eine Staatsjugend deutlich erkennbar. In Lettland spielten die Pfadfinder-organisationen eine groBe Rolle. In Litauen war maBgebend der Verband der " Junglitauer". In Estland unterstanden alle Jugend-verbande dem Jugendleiter im Bildungsministerium. Die Pfadfinder-gruppen sollten vereinigt werden.
Sowjetunion
Die kommunistische Partei RuBlands — alter als die NSDAP in Deutschland — faBte von Anbeginn an die Jugend in einer Organisation zusammen. Dem Alter des "Deutschen Jungvolks" entsprachen die "Pioniere". Sie waren die Vorstufe zum "Komsomol", dem kommunistischen Jugendverband. Die "Pioniere" ubten einen star-ken EinfluB auf Schule und Unterricht aus, sie waren die Bevorzug-ten wie bei den Erwachsenen die Parteimitglieder, sie waren die Trager und Huter des kommunistischen Gedankengutes oft im Gegensatz zu den noch immer fur burgerlich und antirevolutionar gehaltenen Lehrern. Die "Pioniere" erfaBten auch die Madchen, die mit den Jungen vollig gleichberechtigt waren und gleichverpflichtet in allen Leistungen. Schon fruh wurde mit der Einfuhrung in die technische Kriegfuhrung begonnen.
Mit 17 Jahren stieBen die Pioniere zu den "Komsomolzen". Diese trugen eine dem Militar ahnliche Uniform und spielten als Jungsowjets eine bedeutende Rolle im geistigen und wirtschaftlichen Leben des Landes. Sie waren naturlich den nichtorganisierten Jugendlichen stark bevorzugt. Auch die Madchen erfuhren im Komsomolzenverband eine starke militarische Ausbildung. Sowohl die Waffe (Gewehr und Maschinengewehr) als auch die Fliegerei, der Fallschirmabsprung, Luftschutz, der chemische Krieg etc. wurden theoretisch und praktisch in ihre Ausbildung einbezogen. Frauen konnten vom 20. Lebensjahr ab freiwillig an militarischen Reserve-ubungen teilnehmen, die sie zu "gleichwertigen" Soldaten machten.
2,5 Millionen Madchen und Frauen waren Mitglieder der "Osso-aviachim" (Organisation der Freunde der Verteidigung, des Flug-wesens und der Chemie), 20.000 junge Frauen verbrachten den Sommer 1934 in militarischen Lagern, wo sie von aktiven Offizieren im Kriegsdienst ausgebildet wurden. 193 3 berichteten russische Zeitungen, daB 100.000 Frauen der "Roten Armee" angehorten.
Die russische Jugend, sowohl die Jungen als auch die Madchen, wurde militarisch erzogen gegen die verdammenswerten "Imperialis-ten" und fur den "Befreiungskrieg" der Bedruckten. Dabei wurde ihr das Paradies auf Erden versprochen.
In GroBbritannien standen die "Boy Scouts" an der Spitze, die sich allerdings seit Jahren in einer Krise befanden. Die 5 bis lljahrigen hieBen "Wolf-cubs" (Wolflinge), die 11 bis 18jahrigen "Scouts", die uber 18jahrigen "Rovers". 1938 gehorten ihnen etwa
2,5 Millionen Mitglieder an. Ihre weltweite Bruderschaft diente realen auBenpolitischen Interessen Englands. Ebenfalls weltumspan-nend waren die "Young Man's Christian Association" (Y. M.C. A.), christliche Vereinigung junger Manner.
Die englische Pfadfinderschaft zeigte bis 1936 auf ihrem "Dan-kesabzeichen" das Hakenkreuz. Es wurde fur besondere Verdienste um die Bewegung ausgegeben. Auch die "Verdienstmedaille", die nur sehr selten an fuhrende Pfadfinder ausgegeben wurde, zeigte das Hakenkreuz, bis 1936.
Da die englische Boy-Scout-Bewegung international vielfach als beispielhaft galt, erscheint ein Vergleich mit der Hitler-Jugend angebracht. Noch heute sieht man in England die Jungen in einer militarahnlichen Uniform zum Dienst gehen. Die internationale Wirkung der Boy-Scouts ist mit dem Niedergang Englands nach dem Zweiten Weltkrieg geschwunden.
Der englische Offizier Baden-Powell ist der Begrunder der Boy-Scout-Bewegung. 1897/98 hatte er in Indien als Oberstleutnant seine Soldaten im "Scouting" planmaBig geschult, d. h. er hatte ihnen Spurenlesen, Anschleichen, Naturstudien und alles, was ein Mann in der Wildnis gebraucht, beigebracht. Danach verfuhr er im Burenkrieg in Sudafrika ebenso, als er sich mit seinen Truppen in Mafeking gegen seine Belagerer verteidigen muBte. Baden-Powell wurde nach seiner Ruckkehr zum General befordert. 1908 schrieb er, angeregt durch die " Woodcraft-Indians"-Idee (Waldlaufer) des Amerikaners Seton, sein Buch "Scouting for Boys". Darin nannte er als Erziehungsziele: 1. Disziplin, 2. Woodcraft, 3. Beobachtung, 4. Pflichterfullung, 5. Rittertum, 6. Kraft und Ausdauer, 7. Patriotis-mus, 8. Lebensrettung.
Die Hitler-Jugend hatte fur das Jungvolk ahnliche Ziele genannt, die Schwertworte des Jungvolkjungen: Jungvolkjungen sind: hart, tapfer, treu, gerade und fest, Kameraden, wahr, der Jungvolkjungen GroBtes ist die Ehre.
Bei Baden-Powells Scouts-Erziehung kamen als "Chivalry"-Erziehung (Rittertum) hinzu:
Sei bereit, fur die Verteidigung Englands zu streiten.
Halte die Ehre deines Landes mit deinem Leben aufrecht.
Lieber ehrenhaft sterben, als ohne Ehre leben.
1937 bekannte Baden-Powell in Gilwell vor Deputy-Camp-Chiefs:
"Herald des Friedens, so nennen sie mich in der Welt. Ich aber will in die Geschichte eingehen als Herold der britischen Weltherrschaft."
Seine Boy-Scout-Bewegung war genauso imperialistisch wie er selbst.
Niederlande
Eine niederlandische Jugendfuhrerin schreibt:25)
"Die Jugendorganisation in den Niederlanden, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, einmal alle niederlandische Jugend in ihren Reihen zu sammeln, ist der 'Rationale Jeugd Storm' (NJS) unter der Leitung eines 'Hoofdstormers'. 'Jeugd Storm' bedeutet 'Jugendsturm' und weist darauf
Hin, dafi die gesamte niederlandische Jugend mit sturmender Hand erfafit werden soll.
Seit 1934 besteht der 'Rationale Jeugd Storm' und blickt seitdem auf eine wechselvolle Kampfzeit zuruck. Die Madel von 14 - 18 Jahren heifien 'Stormsters'. Die kleinste Einheit, ein 'Trek', umfafit 5 Madel. Die nachsten Einheiten: die 'Wacht', die 'Schaar', die 'Groep', das 'Vendel',
Der 'Ban', der 'Heerban' und das 'Kommando', setzen sich immer aus zwei der vorausgehenden Einheiten zusammen. Die Organisationsform, die einem Obergau des BDM entspricht, ist das 'Geweest', das eine Provinz umfafit.
Das Symbol, die Fahne des NJS, zeigt eine Sturmmove auf blauem Grund, die daran erinnern soll, dafi die Jungen und Madel, die unter ihr schreiten, stets ihre ganzen Krafte einsetzen mussen, gegen den Widerstand, der sich ihnen entgegenstellt.
Der nationalsozialistische Grufi heifit 'Hou Zee' und ist ein alter Seemannsgrufi, der etwa folgendes ausdrucken will: 'Pafi auf, halt guten
Kurs, sonst konntest du auf gefahrlichen Klippen stranden!' Weil die Aufgabe der 'Stormsters' bisher fast ausschliefilich propagandistischer Art
War, boten sie nach aufien ein geschlossenes, diszipliniertes Bild. Gleich-zeitig damit haben sie sich die Aufgabe zu eigen gemacht, das vorhandene und neu entstehende Liedgut der Niederlande zu pflegen und zu ver-breiten. Neben den Liedern ihrer national-sozialistischen Bewegung singen sie viele alte Seemannslieder und solche, die von ihrer Kolonialgeschichte und von den Burenkampfen gegen die Briten berichten....
Die Sportarbeit bildet im Arbeitsprogramm der 'Stormsters' einen wesentlichen Bestandteil, und die Halfte der Dienstzeit wird der Korper-schulung und gymnastischen Ubung gewidmet. Im Sommer trifft man die 'Stormsters' bei regem Fahrten - und Lagerbetrieb an. Uber jedem Dienst steht fur die 'Stormsters' in den Niederlanden das Gesetz der Kamerad-schaft, der Einsatzbereitschaft, der Mitarbeit im grofigermanischen Raum."
Polen
In Polen war eine Staatsjugend im Ansatz erkennbar im Verband: "Dienst der Jugend", gegrundet 1938. Die Jugend sollte alien politischen Einflussen entzogen werden und sich als uberparteilicher Verband zur Idee des polnischen Nationalstaates bekennen. Es gab auch Pfadfinder und andere Jugendgruppen.
Japan
In Japan spielte die Familientradition aus der sozialreligiosen Haltung heraus eine entscheidende Rolle. Der "Seinen-dan", ein Jungmannerverband mit 4 Millionen Mitgliedern, bestand seit Jahr-hunderten. Etwa seit 1900 hatte er staatspolitische Aufgaben und widmete sich der korperlichen Ertuchtigung. Der "Shonen-dan" zahlte ebenfalls 4 Millionen Mitglieder und konnte als Schul-jugendverband bezeichnet werden; die Jugendarbeit lag bei den Lehrern. Die Boy Scouts waren zahlenmaBig schwach. Seit 1935 gab es eine Dachorganisation, die "Gesellschaft der kaiserlichen japa-nischen Jugendvereinigung" unter Fuhrung eines Mitgliedes des Kaiserhauses.
Die HJ stand in sehr gutem Einvernehmen mit der japanischen Jugend.
Skandinavien
Uber die Jugend in Skandinavien berichtete die Zeitschrift des BDM "Das Deutsche Madel" im Juniheft 1935 wie folgt:
"Es ist der Jugend der drei skandinavischen Konigreiche Danemark, Schweden und Norwegen bestimmt, in parlamentarisch geleiteten Staaten zu leben. Wie einst in Deutschland vor der Machtubernahme durch den Fuhrer sind die Jungen und Madchen dieser Lander voneinander getrennt durch Schranken der Geburt, der Bildung, des Glaubens, des Berufs und der Weltanschauung. Die Eigenbrotlerei und Interessenpolitik kleiner und kleinster Gruppen vereitelt, dafi man von einer gemeinsamen grofien Jugendgruppe sprechen kann. Jede Partei hat ihre eigene Jugendgruppe, die, genau wie einst in Deutschland, nicht einmal soviel notwendiges staatsburgerliches Verstandnis aufzubringen vermag, Volk und Land als Gemeinsames uber kleinliche Gegensatze zu stellen. Schlagereien, Uniform-verbote usw. sind die Folgen dieses kurzsichtigen Tuns. — In allen skandinavischen Landern aber zeigen sich die Ansatze einer besseren, geeinten Zukunft; das Hakenkreuz hat auch hier bereits Teile der Jugend um sich geschart, wenngleich durch Verbote, Unterdruckungen und Ver-folgungen die Entwicklung auch einstweilen zeitlich noch zuruckgehalten wird."
Danemark
"Die Anfange einer Jugendbewegung in Danemark reichen bereits an hundert Jahre zuruck. - Damals erkannte der ehemalige Prediger Grundtvig (1783 - 1872), dafi die Erneuerung des Volkes nur von seiner Jugend ausgehen kann.
Sein ganzes Leben stellte er deshalb in den Dienst dieser Jugend. Eine wohl fur ganz Skandinavien vorbildliche Errichtung von Volkshochschulen in allen Teilen des Landes kronte sein Werk, das sich aber erst nach dem Kriege 1864 und seinen Folgeerscheinungen wahrhaft durchsetzen konnte. Sechzig derartige Grundtvig-Volkshochschulen kennt Danemark heute, die uber die Bucherweisheit das praktische Wissen setzen und kulturelle Guter, Landes - und Heimatgeschichte pflegen und so zu Statten nationaler Einkehr fur die jungen Danen geworden sind. Im ubrigen ist aber die Jugend Danemarks von den bestehenden Gruppen und Gruppchen aller Farbungen und Interessensgebiete erfafit. Die Pfadfinder (Det Danske Spejderkorps) haben ihre Anhanger, die sich jedoch ihrer geistigen Einstel-lung, ihrer Betatigung nach kaum von einer anderen Gruppe der "Boy Scouts" in der ganzen Welt unterscheiden. Aufierdem gibt es z. B. "Kon-servativ Ungdom", "Socialdemokratisk Ungdomforening" und die kom-munistische Jugendgruppe. Jung noch ist die nationalsozialistische Stromung Danemarks, die besonders in Kopenhagen und Nordschleswig bemerkbar ist. Sie hat Uniformverbot und unterliegt allerlei sonstigen Verboten und Verfolgungen. Sehr bekannt sind die danischen Schutzen ("Skyttekorps"), die aber nur die Jungen wehrsportlich ertuchtigen. (1939) "
Schweden
"Schwedens Jugend steht ebenfalls zum Teil in den Jugendgruppen der Parteien, also bei den Konservativen, Liberalen, beim Bauernbund, den Sozialdemokraten und den Kommunisten. Was dabei herauskommt, kennen wir vom fruheren Deutschland her, blutige Auseinandersetzungen z. B.. In Schweden schiebt man das Uniformverbot aller Jugendverbande, das seit zwei Jahren besteht, den in Sudschweden stark vertretenen nationalsozialistischen Gruppen in die Schuhe, den "Svenska National-socialiske Arbeterparti" und den "Svenska Nationalsocialiste"; denn merk-wurdigerweise verfugt Schweden uber zwei Stromungen unter dem Zeichen des Hakenkreuzes.
Viele Madchen wurden in dem in Schweden untrennbar mit der Frauenbewegung verbundenen "Roten Kreuz" erfafit, wo sie im Samariter-dienst, in Krankenpflege, Krankentransport, Betreuung in Erholungs-heimen, Zahnkliniken usw. ausgebildet wurden. Diesen Gruppen nahe verwandt sind die schwedischen "Lottas", gleich den "Lotta Svard" in Finnland. "
Norwegen
"Wenn in einem kleinen und dunn besiedelten Lande die Bewohner sich fast zur Halfte weltanschaulich-politisch entgegengesetzt gegenuberstehen, so mufi das auch seinen Niederschlag in der Jugendbewegung finden. Seit 1927 geht der Kampf der "Nasjonal Samling", deren Leiter der fruhere Militarattache in Petersburg, Vidkun Quisling, war. Sie zahlte 1939 uber 40.000 Mitglieder. Ihnen gegenuber standen die kommunistischen Orga-nisationen. Ebenso wie in Schweden gibt es auch in Norwegen Gruppen von Parteien, Pfadfindern und kirchlichen Jugendbunden. Norwegen hat ferner einen der finnischen Lotta-Svard-Bewegung ahnlichen Bund, die "Lotteng". Die Lottengs tragen eine graue Uniform mit gelber Armbinde und den Buchstaben N. K.F. V., was etwa soviel wie Norwegische Freiwilli-ge Frauenwehrpflicht bedeutet. Die Regierung unter Quisling richtete eine Staatsjugend ein, die von Staatsjugendfuhrer Minister Stang geleitet wurde."
Finnland
Uber die finnische Frauenbewegung "Lotta Svard" veroffent-lichte "Das Deutsche Madel" im Januarheft 1935 einen Aufsatz der Begrunderin und Fuhrerin dieser Bewegung. Daraus entnehmen wir:
"Um die Entstehung des Namens zu erklaren, mussen wir auf den finnischen Dichter Runeberg zuruckgehen, der in seiner Gedichtsammlung vom "Fahnrich Stal" Szenen aus dem Krieg zwischen Rufiland und
Schweden 1908 beschreibt. Unter den Frauen, die in dieser Dichtung vorkommen, ist besonders die Lotta Svard hervorgehoben, die nach dem Tode ihres Mannes sich der Armee anschlofi und uberall helfend eingriff, wo es ihr nur moglich war. Ihr Name wurde fur unsere Frauenbewegung gewahlt, und mit Hilfe und Unterstutzung der Burgergarde wurden bald im ganzen Lande Unterabteilungen gegrundet, die ihre Zentralverwaltung in Helsingfors hatten. Die Satzungen der "Lotta Svard" besagen, dafi ihr Zweck die Verbreitung der Burgergarden-Idee und die tatige Unterstutzung in der Verteidigung von Religion, Herd und Vaterland sei."
Soweit aus dem Bericht von Fanny Luukkonen.
"Bis vor wenigen Jahren war die Lotta-Svard-Bewegung eine reine
Frauenbewegung. Jetzt beginnt man mit dem Aufbau von Jugendgruppen
(1939). Die Madchen von 10 bis 17 Jahren sollen hier zusammengefafit
Werden. Ihr Ziel ist, bereits die finnischen Madchen zur aufopfernden
Einsatzbereitschaft furs Vaterland zu erziehen. Der Dienst wird die Madchen genau so selbstlos undfreiwillig bereitfinden wie die Frauen."
Aus dieser Ubersicht mag ersichtlich sein, dab die Jugend der verschiedenen Volker und Staaten recht unterschiedlich organisiert war. Das Interesse des Staates, der Parteien und der Interessenver-bande an der Jugend war im Wachsen. Das Prinzip "Jugend mub von Jugend gefuhrt werden" war wohl nur in Deutschland vertreten. Weil die Jugend selbst verantwortlich war fur all ihre vielseitigen Aufgabengebiete — also auch fur die Auslandsarbeit — darum war ihr Interesse ganz und gar auf freundschaftliche und friedliche Kontakte mit der Jugend aller Staaten gerichtet. Wegen der Vielseitigkeit der Verbindungen zwischen der deutschen Jugend und Jugendorganisa-tionen anderer Staaten galt fur die Auslandsarbeit der Reichsjugend-fuhrung grundsatzlich folgendes:
"Die Reichsjugendfuhrung betreibt keine Aufienpolitik.
Die HJ hat es mit der Jugend zu tun, nicht mit der grofien Politik. Selbst da, wo sie mit der Jugend anderer Nationen in Verbindung tritt, um Jugendliche zu Studienfahrten oder Lagern auszutauschen, vollzieht sich die Begegnung jenseits des Politischen.
Es ist die rein menschliche Verstandigung der Jugend untereinander, die auf solche Weise durch die RJF angestrebt wird.
... Je besser sich die Jugend Europas verstehen lernt, um so schonerfur die Zukunft. Ein Grundgesetz der Jugendaustauscharbeit ist: Keine
Propaganda!
Ich glaube an eine Zusammenarbeit der europaischen Jugend auf der Grundlage eines Abkommens, dessen einzige Programmforderung lauten mufite:
Gegenseitiges Sichkennenlernen.
Wahrscheinlich wurde die Welt nicht besser, aber die Menschen konnten gerechter werden."
(Schirach: "Die Hitler-Jugend, Idee und Gestalt", S. 155)
Fuhrerbesprechung
Feuerwehrscharen und Melder der Hitler-Jugend
Wehrertuchtigung in Lehrgangen wahrend der letzten Kriegsjahre
GstpreuBIsche Luftwaffenhelfer Weihnachten 1943 in Hamburg
OstpreuBische Luftwaffenhelfer an der Vierlingsflak in Hamburg 1944
GstpreuBIsche Luftwaffenhelfer 1944 mit ihrem Lehrer vor ihrer getarnten Unterkunft auf einem Feldflugplatz sudlich Hamburg
GstpreuBIsche HJ auf dem Weg zur Schanzarbeit 1944
Auch HJ gliederte sich 1944/1945 in den Volkssturm ein
Panzerfauste nach vorn — Frankfurt an der Oder im Marz 1945
In letzter Stunde
Nachwort
Das "International Military Tribunal (IMT)", das nach dem Kriege zur Aburteilung von "Kriegsverbrechern" (der Verlierer) eingesetzt wurde und in Nurnberg tatig war, gab vor, nach ent-sprechendem allgemeinen Volkerrecht zu urteilen. Dieses Tribunal in Nurnberg hat die HJ fur nicht kriegsverbrecherisch erklart. AuBerdem hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen 1952 abgelehnt, die Grundsatze des Nurnberger IMT als allgemein ver-bindliches Volkerrecht anzunehmen, wuBte man doch nur zu gut, um welches Willkur-"recht" es sich hier gehandelt hatte. Nahezu alle Volkerrechtsgrundsatze wurden auf den Kopf gestellt!
DaB die Jugend, die so stark in der Gemeinschaft des Volkes verwurzelt war wie die HJ, in Notzeiten zu dieser ihrer Gemein-schaft stand, ist im Kriege tausendfach von ihr bewiesen worden. Der Kriegszustand ist aber ein den ganzen Volkskorper stark verandernder Zustand und kein normaler. Eine Beurteilung der HJ muB das berucksichtigen.
DaB eine Jugendorganisation aus sich heraus die riesigen selbst-gestellten und ubertragenen Aufgaben und Ziele meistern konnte, war niemals lediglich durch Befehl oder gar durch Freiheitsentzug moglich, sondern allein durch freiwilligen Einsatz. Die deutsche Jugend kann nicht geschmaht werden, weil sie damals Hitler-Jugend hieB. Die deutsche Jugend von damals kann nur geachtet werden, weil sie stolz auf Deutschland und gleichzeitig tolerant war ge-genuber der vaterlandischen Jugend anderer Volker.
Der bekannte englische Publizist Philip Gibbs schrieb 1937 uber die damalige deutsche Jugend:
"Fahren Sie durch Deutschland und halten Sie auf einer beliebigen Grofistadtstrafie oder in irgendeinem Dorf an, um nach dem Weg zu fragen: Gleich kommt ein Pimpf herbeigerannt, frisch, sauber, oft in einer Art Uniform, ganz ahnlich, wie sie unsere Boy Scouts tragen: Heil Hitler!
— das ist nun einmal die unvermeidliche Einleitung. Kann ich helfen? — Dann folgt in fast allen Fallen auf eine verstandliche Frage eine intelli-gente, hofliche Auskunft. Wenn das eingedrillt ist, dann sei dieser Drill gepriesen.
Und nun fragen Sie englische Jungen in einem englischen Dorf nach dem Weg. Wenn die Burschen uberhaupt reagieren, dann betont lassig und unhoflich: Schlechte Zahne, schlechte Haltung, schlechte Manieren — aber freilich kein Heil Hitler"!
In England erscheinen laufend Wochenendausgaben und
"campaign books" aus Purneils "History of the second world war". Das umfangreiche Bildmaterial darin ist von guter Qualitat und aufschluBreich, der Text steht dazu allerdings in krassem Gegensatz sowohl in der gehassigen Formulierung als auch hinsichtlich der Qualitat der geschichtlichen Information.
Von Alan Wykes (USA) erschien 1969 und bei Macdonald & Co. in London 1970 das campaign book Nr. 8 mit dem Titel "Nuremberg rallies". Darin, ist auf Seite 83 die unwahre Behauptung aufgestellt worden, Julius Streicher habe die Hitler-Jugend geleitet und ihr Erziehungsprogramm entwickelt. (He was just the man to lead the young manhood of Germany, which in effect he did). Streicher hat nie die Hitler-Jugend beeinflussen konnen und ist von der Mehrzahl der HJ-Fuhrer und BDM-Fuhrerinnen zum Teil sogar sehr scharf abgelehnt worden. Seine Zeitung "Der Sturmer" durfte in der Hitler-Jugend uberhaupt nicht gelesen werden, uber die HJ ist in dem campaign book Nr. 8 zu lesen:
"In embryo the Hitler Youth was to be disguised much as the Storm Troopers had been — as sports an physical fitnes clubs so that the still prevailing Versailles conditions limiting the size of Germanys army could be given a reverential nod. Nobody was much deceived by that phony obsequiousness, of which the "Morning Post" in due course remarkes bluntly that the socalled Hitler Youth Organization is simply a breeding ground for the kind of thugs so beloved of Herr Goring and Herr Himmler."
(Im Anfang war die Hitler-Jugend so wie die Sturmtruppen (SA) getarnt als sport - und korperliche Ertuchtigungsclubs, so dafi den noch gultigen Versailler Bedingungen zur Einschrankung der Grofie der Deutschen Wehrmacht eine ehrfurchtige Verneigung erwiesen werden konnte. Niemand wurde besonders getauscht bei dieser Scheinunterwurfig-keit, von der die Morning Post seinerzeit unverblumt bemerkte, die sogenannte Hitler-Jugend ist einfach eine Brutstatte fur die Art von Strolchen, wie sie Herr Goring und Herr Himmler sich wunschten.)
Auf Seite 139 dieses Campaign Book wird das Auftreten der Hitler-Jugend fur einen Nurnberger Parteitag wie folgt geschildert:
"The afternoon parade was of Hitler Youth, their drilling was superb. After 60.000 of them had performed immensely complex formation exercises — Breathtaking in their marvellous coordination, said the Express — they formed in the arena the living words BLUT UND EHRE (Blood and Honour) again and again, like aircraft signwriting, the beginning of the first word fading as those at the riar of the serpentine column passed to its head to repeat Blood and Honour endlessly round the arena. Each of them carried a long polished steel knife, and as a finale these were simultaneously drawn — to give the effect of a blinding flash in the high afternoon sun."
(Die Parade der Hitler-Jugend war am Nachmittag, ihr Drill war prachtig. Nachdem 60.000 von ihnen aufierordentlich komplizierte Grup-pierungen ausgefuhrt hatten, — atemberaubend in ihrem wunderbaren Zusammenwirken — sagte der Express — bildeten sie in der Arena immer wieder die lebenden Worte Blut und Ehre, gleich einem Himmelsschreiber; wahrend die erste Wortgruppe allmahlich verschwand, schlangelten sich die Worte uber den Hintergrund der Arena bis nach vorne, und so wieder-holten sich die Worte Blut und Ehre unaufhorlich immer wieder rund um die Arena. Jeder von ihnen trug ein langes poliertes Stahlmesser, und zum Schlufi wurde dieses von allen zugleich gezogen, — um den Effekt eines blendenden Aufleuchtens in der hohen Nachmittagssonne zu erzielen.)
Niemand wird einen solchen unwahren Bericht in einem "Ge-schichtswerk" vermuten. Zunachst bleibt unklar, wie denn die lebenden Worte Blut und Ehre technisch uberhaupt moglich ge-macht werden konnten. Zum anderen trugen die Jungen (die Madel schon gar nicht) keine langen polierten Stahlmesser, sondern nor-male Fahrtenmesser. Der aufleuchtende Blitz der Messer, den der Berichterstatter angeblich gesehen haben will, war gar nicht moglich und deshalb auch nicht einexerziert worden.
Trotzdem steht einige Zeilen hinter dieser Meldung:
"The glint of knives could be seen as the sun set over Europe."
(Der Lichtschein der Messer konnte als Sonnenuntergang fur Europa gedeutet werden.)
Eine Bemerkung drei Jahrzehnte danach:
Die Herausgeber des Campaign Book Nr. 8 haben zu diesen Berichten uber das Auftreten der Hitler-Jugend in Nurnberg unter hunderten von Fotos keines gefunden, was die Behauptungen
Beweisen konnte. Wahr ist, dab der BDM 1934 auf den Rangen des Stadions in Nurnberg das Wort Saar bildete, indem in einem Block von Madeln mit braunen Kletterwesten bestimmte Madel die Westen auszogen und so durch ihre weiben Blusen das Wort Saar sichtbar wurde (Siehe Parteitagsfilm von Leni Riefenstahl). 1938 wurden auf die gleiche Weise die Buchstaben A H gebildet, nur braun im weiben Block (siehe Buch "Reichsparteitag 1938").
Wilhelm Stahlin macht sich in einem seiner drei Aufsatze in den "Grundschriften der Deutschen Jugendbewegung" uber die Bedeu-tung einer festen Form, bzw. Organisation Gedanken:
"Treue will Form....
Es gibt keine Gemeinschaft ohne feste Form in Bund, Brauch und Sitte....
Es bedarf fester Formen der Zugehorigkeit, der Aufnahme und der Fuhrerschaft."
Und er meint, das hatten Leute alles zerschlagen, die sich des Muts zum Chaos geruhmt hatten.
Es sei erlaubt, unter diesen Gesichtspunkten zu sehen: die Jugend in den kulturellen Veranstaltungen der Hitler-Jugend — und die in den sogenannten Festivals heute;
Die Haltung der Hitler-Jugend in ihren gepflegten Heimen — und die Haltung mancher heutiger Jugendgruppen in ihren demolierten Heimen;
Die diszplinierte Einstellung der HJ zum Bekenntnis "Heilig Vaterland" — und die heutige Jugend zum chaotischen Prinzip "peace and love" (Nach bisherigen Erfahrungen mub peace and love nicht ubersetzt werden mit Friede und Liebe, sondern mit ruhen und lieben.)
Arthur Ehrhardt:
"Vom allgemein menschlichen Standpunkt aus ist es wirklich zu beklagen, dafi der grofiangelegte Versuch, die Jugend eines Volkes zur freudigen Tragerin seiner Kultur und seines Geisteslebens zu machen, durch den Kriegjah unterbrochen wurde. ...
Es ist zu bedauern, dafi man die Erfahrungen des padagogisch und jugendpsychologisch hochinteressanten und offensichtlich weitgehend gegluckten Massenexperimentes "HJ" in die amerikanischen Archive ein-gesargt hat und hochstens nach Belastungsmaterial durchstobert."
("Nation Europa" 1/1969, S. 67)
Tschechisches nat.-soz. Lager-Vlajka Verbindungsstelle — Gruppe Presse Prag II, Myslikgasse 15 — Fernsprecher 439-53
"Auch das vergangene Jahr war fur das Tschechische nationalsozialisti-sche Lager — Vlajka eine Zeit des aufrichtigen und zielbewufiten Strebens nach der Verwirklichung der Grundsatze des Nationalsozialismus im bohmisch-mahrischen Raume. Fast alle Volker haben sich in die europa-ische Gemeinschaft so weit eingegliedert, dafi sie fur die Ideale der neuen geistigen und sozialen Ordnung gerne das Blut ihrer besten Sohne opfern. Unsere Bewegung kampft und arbeitet schon seit mehreren Jahren dafur, dafi auch das tschechische Volk im Rahmen des Deutschen Reiches einen ihm, der ruhmreichen Vergangenheit und den Fahigkeiten gemafi, ge-
Buhrenden Platz einnehme.
Der Berichterstattung uber die Tatigkeit des ONST-Vlajke im erwahn-ten Sinne dient die Reihe von Presse-Briefen, welche mit dieser Nummer nach einer aus technischen Grunden eingetretenen Pause fortgesetzt wird.
Die Grundgesetze des Tschechischen nat.-soz. Lagers Vlajka.
Der Hauptleiter des ONST - Vlajka J. Rozsevac-Rys erliefi an alle Funktionare und Mitglieder der Bewegung folgenden Aufruf: Kameraden!
Laut Entscheidung des Fuhrers und Reichskanzlers Adolf Hitler vom
15. Marz 1939 wurde das Protektorat Bohmen und Mahren errichtet, welches in den Rahmen des Grofideutschen Reiches als sein Teil eingeglie-dert wurde. Somit ist die feste Grundlage fur eine sichere Entwicklung unseres Volkes auf allen Gebieten seiner Tatigkeit gegeben; naturlich unter der Voraussetzung, dafi es seine Zugehorigkeit und absolute Treue zum Grofideutschen Reiche beachten werde.
Das Tschechische nationalsozialistische Lager-Vlajka als eine neuzeit-
Liche nationalistische Bewegung wurde stets von dem Grundsatz geleitet: seinem Volke gleich wie dem Grofideutschen Reiche nutzlich zu sein.
Darum war es immer und ist auch jetzt trotz Mifigunst zahlreicher Faktoren im eigenen Volke - ehrlich bestrebt, alle Hindernisse abzuschaf-fen, die der engsten und aufrichtigsten Zusammenarbeit des tschechischen Volkes.... " (Fortsetzung des Originals leider nicht mehr vorhanden)
Anhang
Nr. 1 Kritik an Brandenburgs "Die Geschichte der HJ"
A) HJ im Zerrspiegel? — Walter von Berg
B) "Hitlerjugend" mit Abstand gesehen - Arthur Ehrhardt Nr. 2 Kritik an Kochs "Geschichte der Hitlerjugend"
Bewaltigung der Vergangenheit? — Walter von Berg Nr. 3 Zeittafel der Jugendbewegung von 1890 bis 1933
Nr. 4 Richtlinien fur das Verhaltnis zwischen NSDAP und Hitler-Jugend e. V. vom 5.12.1926
Nr. 5 Vereinbarung zwischen Hitler-Jugend und Nationalsozialistischem Schulerbund (Gruber und Renteln) vom 23. Juli 1931 Nr. 6 Staatliche Anerkennung der Hitler-Jugend (1932)
Brief Baldur v. Schirachs vom 31. Mai 1933 Nr. 7 Ernennung Schirachs zum "Jugendfuhrer des Deutschen Reiches"
Nr. 8 Richtlinien fur den Jugendfuhrer des Deutschen Reiches
Nr. 9 Evangelisches Jugendwerk Deutschlands und die Hitler-Jugend (1933)
Nr. 10 Jugendwerk der Deutschen Evangelischen Kirche (1934)
Nr. 11 Vereinbarung zwischen HJ und Reichssportfuhrer (1936)
Nr. 12 Das Gesetz uber die Hitler-Jugend vom 1. Dez. 1936 Nr. 13 Erste Durchfuhrungsverordnung zum Gesetz uber die Hitler-Jugend Allgemeine Bestimmungen — 1939
Nr. 14 Zweite Durchfuhrungsverordnung zum Gesetz uber die Hitler-Jugend Jugenddienstverordnung — 1939
Nr. 15 Verordnung uber die nachgeordneten Dienststellen des Jugendfuhrers des Deutschen Reiches (11 . Nov. 1939)
Nr. 16 Gesetz zur Forderung der Hitler-Jugend — Heimbeschaffung — vom 3o. Jan. 1 939
Die Monatszeitschrift "Nation Europa" brachte in ihrem Heft 1/1969 zwei Stellungnahmen zu Brandenburgs "Geschichte der HJ". In dem Aufsatz "HJ im Zerrspiegel?" schrieb Walter von Berg u. a.:
"... Wer Brandenburg liest, kommt nur zu leicht zu dem Schlufi:
'Ein teuflisches System lafit seine Jugend das Reimwerk von Schirach in Schule und Jugendbund auswendig lernen, um sie leichter in den Tod schicken zu konnen.' — Nein! Es war mit Sicherheit anders. Davon weifi Brandenburg offenbar nichts. Wo sollte er dazu die Dokumente finden? Bei der Widerstandsliteratur? In der heutigen lizensierten Publizistik?
Mit den Fragen wird schlagartig klar, welche Aufgabe die noch
Lebenden Jugendfuhrer des untergegangenen Grofideutschen Reiches haben: Es fehlt die kritische Auseinandersetzung dieser Fuhrerschaft mit
Ihrer eigenen Vergangenheit. Schirachs Stern-Memoiren haben ihnen diese notwendige Arbeit nicht abgenommen...
Fragwurdige Thesen
1. Brandenburg behauptet: Die gesunde Urteilsfahigkeit der Jugend
Wurde durch die HJ getrubt.
Die meisten der jungen Fuhrer, die er damit treffen will, konnen sich gegen seine Vorwurfe nicht wehren. Diese "Trublinge" mit ihren "unter-entwickelten Sinnen", die einer ganzen Welt mehr als sechs Jahre lang standhielten, sind fur Deutschland gestorben. Der Rachewahn der Sieger liefi viele Tausende noch nach dem letzten Schufi in Gefangenenlagern verkommen.
2. Brandenburg behauptet: An die Stelle der Gemeinsamkeit setzte die HJ die Einformigkeit.
Er hat demnach die Reichsfuhrerlager der HJ nicht erlebt, die fur alle Parteibonzen eine schreckliche Angelegenheit waren. Da wurde gezielt geschossen auf alle und auf alles, was junge Deutsche in eine Schablone pressen wollte. Wie hatte es in den Bannen anders sein konnen?
3. Brandenburg behauptet: Statt personlicher Verantwortung verlangte
Die HJ bedingungslosen Gehorsam.
In welchen Situationen? Die Abteilungsleiter der Gebiete konnen ein Lied davon singen, wie widerborstig die Fuhrer der Banne waren. Und wenn alte Wehrmachtskommandeure mit ihren jungen Offizieren Kummer bekamen, dann nur wegen des von ihnen nicht gewunschten Mitdenkens, niemals wegen mangelnden Einsatzwillens.
4. Brandenburg behauptet: Statt innere Freiheit schuf die HJ Fanatis-mus.
Handelt es sich hier uberhaupt um Extreme, die einander ausschliefien? Diese Frage hat Brandenburg nicht untersucht. ... Verwechselt der Ver-fasser "Fanatismus" mit unerschutterlicher Treue und Tapferkeit?
5. Brandenburg behauptet: Jugend mufi von Jugend gefuhrt werden.' Diese Losung sei Luge und Hohn gewesen.
Die HJ braucht einen Vergleich der Durchschnittsalter bei sich und bei den Gruppen vor 1933 und nach 1945 nicht zu scheuen. Sie nahm diese Losung sehr ernst. Wenn ein Jungbann ins Zeltlager zog und 500 Pimpfe von vielleicht drei Erwachsenen und sechs Jungen zwischen 17 und 19 Jahren versorgt, verpflegt und sinnvoll geschult wurden, spricht das gegen Brandenburg.
6. Brandenburg behauptet: Die HJ habe ihre Autoritat vom Staat ge-liehen.
Die gewaltigen Leistungen der HJ im Beruf, im Sport, in vielen technischen Disziplinen, im Heimatkriegsgebiet und an der Front entstan-den nicht durch Autoritat aufPump. Sie beruhten auf Einsicht, Freiwillig-keit und Qualifikation, oben und unten.
7. Brandenburg behauptet: Die HJ hatte ihre Freiheit an die Macht verkauft.
Wer Bindung anerkennt, kann freilich nicht "frei" sein wie ein Hippie. HJ und Staat hatten sich miteinander verbunden. Die Freiheit der Jugend bestand darin, dafi sie sich den Grad des Dienstes selbst aussuchen durfte. Der qualifizierte Fuhrer fuhlte sich frei, ohne Kontrolle. Sein Bewegungs-spielraum war betrachtlich,
Zusammenfassung
Brandenburgs Buch war notwendig als Erinnerung an die grofie Zeit der bundischen Jugend. Es sollte eine Herausforderung an die noch lebenden Hitler-Jugend-Fuhrer sein, weil es jene unvergefilichen sechs Jahre des Um-und Ausbaues und die sechs Jahre des Kampfens und des Sterbens verzerrt darstellt. Die noch lebenden HJ-Fuhrer sollten an dieser Herausforderung nicht schweigend vorubergehen. Waren sie damals schon kritisch genug gegenuber Staat und Partei und eigener Reichsjugendfuhrung, so haben sie heute genugend Abstand, um uber ihre Mitverantwortung zu berichten. Das sollte bald geschehen,"
Im zweiten Aufsatz desselben Heftes: Abstand gesehen" schreibt Arthur Ehrhardt:
"Hitlerjugend — mit
"... Ich war von von 1934 als Letter der Abteilung Wehrschrifttum' in dem als Jugendverlag entstandenen 'LVV' in Potsdam. Die Fuhrerschule der HJ befand sich in unmittelbarer Ndhe des Verlagsgebaudes, und da der Verlag das Handbuch der Reichsjugendfuhrung 'Pimpf im Dienst' — ein bemerkenswertes Kompendium praktischer Erfahrung der bundischen Jugend! — herausgebracht hatte und aufierdem einige junge Erzdhler und werdende Dichter betreute, ergab sich ganz von selbst, dafi sein Haus hdufig von Kursteilnehmern der HJ-Schule besucht wurde, namentlich von den zahlreichen ehemals 'Bundischen'. Auch die Abteilung Wehrschrifttum blieb dabei nicht verschont, denn trotz eifersuchtiger Abgrenzung der HJ gegenuber Pldnen einer vormilitdrischen Schulung — wie sdmtliche Nach-barstaaten im Gegensatz zu Deutschland sie damals betrieben — war das Interesse der Jungen an der soldatischen Tradition und an der wehrpoliti-schen Lage recht lebendig. Zudem hatte ich in meiner Freizeit einige gute englische Jugendbucher ubersetzt, weil ich helfen wollte, den Blick nach draufien offenzuhalten. Diese Bucher wurden im amtlichen Organ der Reichsjugendfuhrung vorbehaltlos empfohlen und fanden viel Freunde.
So ergaben sich fur mich ganz von selbst mancherlei Kontakte und Einblicke in den Aufbau, die Erziehungsgrundsdtze und den Dienstbetrieb der HJ. Da die Teilnehmer an den Potsdamer Lehrgdngen aus ganz Deutschland kamen, darf diese Beobachtungsmoglichkeit als ziemlich umfassend bezeichnet werden.
Es war spannend, zuzusehen, wie sich im Verlauf von zwei Jahren die 'Staatsjugend' zu einem 'Jugendstaat' entwickelte, der — fast im Geist unserer Erkldrung vom Hohen Meifiner (1913) — seine Autonomie gegenuber den Partei-'Bonzen' — und gegenuber der Wehrmacht — 'Kommifi' — recht entschieden zu wahren wufite. Auch die entstehende 'RJF'-Burokra-tie mufite stets mit unbefangener Kritik rechnen. ...
Es gab jedoch Werte und Mafistdbe, an die sich kein Spott gewagt hdtte: Volk, Vaterland, Fuhrer, Soldatentum — (im echten Sinn) — Einsatzbereit-schaft und Leistung in jeglicher Form.
Noch nie waren die breiten Schichten der gesamten deutschen Jugend mit solch erstaunlichem Erfolg in unsere Gesamtkultur — Kunst, Dichtung, Musik — eingefuhrt worden wie zur Zeit jenes angeblichen 'Meinungs-terrors' und 'Kadavergehorsams'. Wenn dies fur die HJ gilt, dann erst recht fur den BDM, der in Potsdam gleichfalls seine Fuhrerinnenschule hatte — eine Akademie der Anmut und Bildung, die von Pddagogen und Jugend-psychologen aus aller Welt gepriesen wurde.
Vom allgemein menschlichen Standpunkt aus ist es wirklich zu be-
Klagen, dafi der grofiangelegte Versuch, die Jugend eines Volkes zur freudigen Trdgerin seiner Kultur und seines Geisteslebens zu machen, durch den Kriegjdh unterbrochen wurde.
Vom Kriegsausbruch an gab es fur die Hitler-Jugend, wie die Ereignisse bis zum Ende bewiesen, allerdings nur noch die eine Aufgabe: den bedingungslosen - fanatischen' - Einsatz fur den Sieg, auf den Jungen und Mddchen hofften, weil sie als junge Menschen an die Gerechtigkeit der Geschichte glaubten. Wer sich erdreistet, diese Einsatzbereitschaft 'Kada-vergehorsam' zu nennen, der schdndet damit einen ethischen, biologisch bedingten Grundbegriff der Menschheit.
Die ublich gewordene Mifideutung der freien und — jawohl: es gibt dafur kein anderes Wort! — begeisterten Bereitschaft zu Einsatz und Opfer, die bei mindestens 90% der Hitler-Jugend selbstverstdndlich war, ist nicht nur schandbar: sie wird auch durch die militdrischen Tatsachen widerlegt. Vorm Feind gibt es ndmlich kein Flunkern und keine Angeberei; in dieser hdrtesten Bewdhrungsprobe stellt sich das eigentliche Wesen der Person-lichkeit und der Gemeinschaft heraus.
General Blumentritt erkldrte 1945 als Gefangener in England dem weltbekannten Militdrhistoriker Liddell Hart, die deutsche Infanterie sei in diesem Krieg 'nicht so gut' gewesen wie 1914 - 1918: 'Die jungen Offiziere und Unteroffiziere hatten zuviel eigenwillige Ideen — sie waren nicht so diszipliniert und gehorsam'. 'Zuviel eigenwillige Ideen?' Wie vertrdgt sich dieses negative Urteil des Generals mit dem angeblichen 'Kadavergehorsam' der jungen Offiziere und Soldaten, die doch alle aus der HJ gekommen waren?
General Elfeldt, den Liddell Hart befragte, worauf diese auffdllige Steigerung der individuellen Kampftuchtigkeit der jungen Deutschen zu-ruckzufuhren sei, gab nach einigem Zogern zur Antwort: 'I think it may have been due to the kind of scout training these young soldiers had received in the Youth Organisation!'
Feldmarschall Erwin Rommel - damals Oberstleutnant an der Kriegs-schule in Potsdam — hatte als Verbindungsoffizier der Wehrmacht zur HJ durch zahlreiche Besuche der Jugendlager und bei vielen Vortrdgen vor den jungen Fuhrern Gelegenheit, die 'Staatsjugend' grundlich kennenzulernen
— und nach einiger Zeit ihr Vertrauen zu gewinnen! Selber eine eigenwillige Personlichkeit und jeder oden Kommifiroutine abgeneigt, beobach-tete er gewifi mit scharfen Augen. Und seine Meinung? — 'Von geistlosem Drill keine Spur. Eher zuviel Frische als zuwenig. Erstaunlich, dafi sich die Jungen dann als Rekruten so reibungslos der Disziplin einfugen', sagte er mir in einem Gesprdch (Potsdam 1935)."
Das "Forschungsinstitut fur die Geschichte des Nationalsozia-lismus" in Hamburg teilte mir auf Nachfrage nach HJ-Material mit, dab ich vorab erklaren musse, um was fur eine Arbeit es sich handele, bei Dissertationen ein Gutachten oder eine Befurwortung des Doktorvaters beifugen musse, und dab ich das Thema prazisieren musse. Ich glaube, mir standen mehr Quellen (auch ungedruckte) zur Verfugung, als den Studenten nach dieser negativen und massiven Einschrankung in der "freien Forschung".
Nr. 2
Hansjoachim W. Kochs
"Geschichte der Hitlerjugend", eine Ubersetzung seines bei Macdonald and Jane's, London, erschienenen "The Hitler Youth" wird von Walter v. Berg wie folgt einer Kritik unterzogen:
"Bewaltigung ohne Vergewaltigung? Nicht ganz! Dies Koch-Buch ist eine Materialsammlung, die einseitig aus der funfundvierziger Perspektive betrachtet wurde. Was hatte aus diesem Material ein "Fachmann" mit den dreiunddreifiiger Scheuklappen alles herauslesen konnen?! Damit kommt Koch und kommen wir nicht an die 'Geschichte der Hitlerjugend'. Halbe Wahrheiten sind ganze Lugen oder fahrlassige Unterstellungen. Es ist wahrlich kein gutes Zeichen fur unseren Staat, dafi die Bilanz national-sozialistischer Jugenderziehung bis heute noch nicht vorgelegt wurde unter Beteiligung jener, die sie damals verantwortlich gestalteten. In den Ge-fangenen - und Internierungslagern war damit 1945 schon begonnen worden. Der Kampf ums Uberleben nach der Entlassung zerstorte jedoch alle diesbezuglichen Plane.
Nun sollen die Archive der Sieger ersetzen, was die Wissenden nicht sagen durften. Durfen sie es jetzt sagen? Mufi erst an die Geschichte der Dokumentation uber die Kriegsgefangenen erinnert werden?
Die Schlufibilanz von 1945 hatte die Eroffnungsbilanz fur den Neubau sein mussen. Das wollten die Sieger nicht. Und ihre Verbundeten auf dem vierfach und funffach geteilten deutschen Volksboden wollten das auch nicht. Ohne Inventur gibt es keine Bilanz, nicht mal eine Liquidations-bilanz! Die Sieger von 1945 hatten aus ihren Fehlern von 1918 absolut gar nichts gelernt. Heute schreiben, auch in England, zahllose Europaer uber unsere gemeinsame leidvolle Vergangenheit als wenn sie selbst geprugelte Deutsche waren. Nach diesen Europaern sollte der deutsche Hochschul-lehrer Koch in England Ausschau halten!
Kochs Buch ist keine objektive Wertung einer der erfolgreichsten Jugendorganisationen der Welt. Warum nicht? Weil moglicherweise in der Schlufiphase des Krieges jeder Jungzugfuhrer in der Beurteilung der Folgen eines fur Deutschland verlorenen Krieges gescheiter war als die Herren Roosevelt und Churchill, die Deutschland teilten und Europa verloren?
Die Hitler-Jugend war jene Parteiorganisation mit den besten Kon-takten nach draufien. Wie sollte da ihre Fuhrerschaft einer Scheuklappen-Ideologie anhangen konnen? Und ein HJ-Fuhrer mit beim Staat ge-pumpter Autoritat hatte spatestens im nachsten Zeltlager bankrott ge-macht. Falls Koch vor seinen Studenten bestehen kann, dann weifi er doch, dafi Jugendfuhrer und Padagogen ihre Qualifikation nirgendwo auf Pump kaufen oder leihen konnen. Kochs Buch ist wie die vorausgegange-nen eine Herausforderung an die noch lebenden hoheren Dienstgrade und Einheitsfuhrer der HJ, die den Mut hatten und haben, sich zu ihren Irrtumern und Erfolgen zu bekennen.
... Das Fuhrerkorps wufite, dafi es nach einem gewonnenen Krieg noch den Frieden zu gewinnen hatte. Es bestand eine ziemliche Ubereinstimmung daruber, was da aufzuraumen war, in der Partei, im Staat, im Volk, in der Wehrmacht. Aber niemand ware auf die Idee gekommen, dafi man das tun konne und musse, bevor der letzte Schufi an der Front gefallen sei. Es gab auch schon Vorstellungen daruber, wie die HJ nach dem Kriege zu reformieren sei. Einsicht und Freiwilligkeit hatten schon vor dem Kriege den hochsten Stellenwert gehabt. Das nun fronterfahrene HJ-Fuhrerkorps hatte die Bewahrung der Friedensgrundsatze unter schwersten Belastungen erlebt. Eben deshalb waren diesen politischen Jugendfuhrern die Manner der deutschen Reformpadagogik viel naher als manche Kreis - oder Gauleiter. Genau deshalb ist die Hitler-Jugend nicht nur eine Episode der Padagogik.
Die Hitler-Jugend war ebenso wenig eine Hammelherde wie die Wehrmacht. Sechs Jahre brauchten die Alliierten bis Berlin. Das wird uns nicht zur kollektiven Heiligsprechung unserer Gefallenen und der Uberlebenden verfuhren. Die Geschlagenen von 1945 kollektiv zu Verfuhrten, zu Dummkopfen, Mitlaufern oder Verbrechern zu deklarieren, wie es auch das Koch-Buch de facto tut, das ist nicht nur unfair.
Was mufi eigentlich noch passieren, um den letzten halbwegs intelli-genten Menschen daruber aufzuklaren, wie bedroht unser Kontinent ist? Da bleibt nicht mal zum Hassen Zeit. Vielleicht nur noch zum Gehorchen! Aber wer hatte dann noch in der nachsten Krise den Mut zum Befehlen?"